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Zusammenspiel von Floristik und Kunst

Blumen für die Kunst 2025

Filigrane Ikebana-Kompositionen, Meisterwerke von lokalen Blumengestaltenden und Einblicke in die indische Floristik: Die Ausstellung Blumen für die Kunst konnte auch 2025 wieder neue Akzente setzen. Ausgewählten Floristinnen und Floristen ent­wickelten für die elfte Ausgabe Ideen, die Tausende Menschen zu berühren vermochten.

Trudi Demut + Claudia Morgenthaler

Eine florale Interpretation eines Kunstwerkes aus der Sammlung des Aargauer Kunsthauses i
Blumen für die Kunst
4.3.–9.3.2025
Florale Interpretation: Claudia Morgenthaler, Aarau
Werk: Trudi Demut, Maske, 1980
Aargauer Kunsthaus / Schenkung der Hans und Wilma Stutz-Stiftung
Foto: David Aebi, Burgdorf

Die Skulptur der Zürcher Künstlerin Trudi Demut ent­stand in einer wichtigen Phase ihres künstlerischen Schaffens: dem Übergang von Abstraktion zu Figu­ration. Das Werk verbindet schlichte, einfache Formen mit einem Interesse an mythologischen Kreaturen. Es besteht aus einer schlanken Säule, auf der eine zerbrechlich aussehende Maske platziert ist. Die Bronzearbeit erinnert an ein Totem. Die Monumen­talität solcher Ritualskulpturen lehnt die Künstlerin hier jedoch ab.

Die Skulptur Maske erinnert Claudia Morgenthaler daran, «dass wir alle hin und wieder eine Maske tragen, um unsere Verletzlichkeit zu schützen.» Mit ihrer flo­ralen Interpretation möchte die Meisterfloristin daher verdeutlichen, dass «sich Gegensätzliches hinter der archaischen, finsteren und harten, fast beängstigen­ den Maske mit ihren doch lieblich wirkenden Augen verbergen kann.» Der rot­orange­rosa gefärbte Fe­derspargel offenbart hinter der Maske eine Welt des Guten und Schönen: «Wie es leicht, weich, liebend, freudig, wärmend und zärtlich sein kann, sobald wir unseren verletzlichen Teil hinter unseren Masken annehmen». Mit dem ungetrübten Blick hinter die Maske eröffnet sich uns ein wunderbarer Kern, symbolisch dargestellt durch offene Blüten in ihrer schönsten Form.

Franz Fedier + Veronika Tsukamoto

Eine florale Interpretation eines Kunstwerkes aus der Sammlung des Aargauer Kunsthauses i
Blumen für die Kunst
4.3.–9.3.2025
Florale Interpretation: Veronika Tsukamoto, St. Gallen
Werk: Franz Fedier, Regenbild (Farbautonomie), 1959
Aargauer Kunsthaus
Foto: David Aebi, Burgdorf

Das Bild zeigt eine für Franz Fedier charakteristische Herangehensweise an die abstrakte Malerei. Dabei stehen der Materialprozess und die Eigenschaften der Farbe im Mittelpunkt. Der Schweizer Künstler verwendete für Regenbild Kunstharzfarben auf einer Leinwand, um freie Farbverläufe zu erzeugen. Auf einem petrolfarbenen Hintergrund kontrastieren vertikale Linien mit weissen Farbflächen. Ohne ein konkretes Motiv darzustellen, weckt das Werk Asso­ziationen zum Regenbogen.

Die florale Interpretation von Veronika Tsukamoto nimmt die freien Farbverläufe von Fediers Bild als Ausgangspunkt. Ein schwebender, transparenter Kubus aus Gräsern (Steelgras) führt das Fliessen der filigranen, vertikalen Linien in den Raum. Das Grün des Grases symbolisiert Wachstum – die Farbe strahlt Ruhe und Urspünglichkeit aus. Regen ist der Ursprung des Lebens, ein unkontrollierbares, elementares Na­turphänomen. Die weissen Fäden greifen die flächig aufgetragenen weissen Elemente des Bildes auf und nehmen symbolisch Bezug auf das Licht, das sich in den Regentropfen bricht und in schimmernden Regenbogenfarben sichtbar wird. Die leuchtenden Farben in Fediers Werk durchdringen die florale Ge­staltung und verstärken ihre Transparenz.

Marianne Kuhn + Franziska Bürgi Rey

Eine florale Interpretation eines Kunstwerkes aus der Sammlung des Aargauer Kunsthauses i
Blumen für die Kunst
4.3.–9.3.2025
Florale Interpretation: Franziska Bürgi Rey, Kreuzlingen
Werk: Marianne Kuhn, Ohne Titel, 1994
Aargauer Kunsthaus
Foto: David Aebi, Burgdorf

Die 1995 vom Aargauer Kunsthaus erworbene Papier­arbeit zeigt eine wolkenähnliche Textur aus Grafit. Der Farbton wird von den dunklen Rändern zur Mitte hin immer heller. Aus der Nähe betrachtet, sind in diesem Werk sowohl Verdichtungen als auch Ver­dünnungen zu beobachten. Treten wir einen Schritt zurück, erkennen wir, dass die Grafitstriche dunkle Wirbel und Wellen bilden. Gleichzeitig ist an einigen Stellen noch das Weiss des Papiers sichtbar.

Der Eindruck, dass in der Grafitzeichnung Wolken­ oder Nebelschwaden vorbeiziehen, faszinierte Franziska Bürgi Rey von Anfang an. Die «Wolkenbewegungen» haben die Blumenbinderin dazu inspiriert, weiterzu­gehen und die Zeichnung in der Dimension auf 65 Zentimeter Breite und 5,5 Meter Länge zu verzerren. Dieses Vorgehen ergibt neue Verdichtungen, ohne jedoch am Gesamtausdruck der Zeichnung etwas zu verändern. Die angewandte Technik, feine Zweige zu schneiden und diese dann wieder, Stück für Stück – wie beim Zeichnen – zusammenzufügen, bildet dabei die Basis für die florale Interpretation. Die Drähte als technisches Hilfsmittel haben eben­falls einen grafischen Ausdruck und verbinden die Äste und den Bleistiftstrich des Bildes. Der Schattenwurf wiederum vervielfacht die Linien. Die weissen Blüten wachsen und öffnen sich ebenso wie ein Ne­belschleier, der kommt und wieder geht.

Léopold Robert + Anita Leuthold

Eine florale Interpretation eines Kunstwerkes aus der Sammlung des Aargauer Kunsthauses i
Blumen für die Kunst
4.3.–9.3.2025
Florale Interpretation: Anita Leuthold, Winterthur
Werk: Léopold Robert, Orangenpflückerinnen auf Capri, 1824
Aargauer Kunsthaus / Depositum der Gottfried Keller-Stiftung, Bundesamt für Kultur, Bern
Foto: David Aebi, Burgdorf

Die kleinformatige Malerei zeigt zwei Frauen, die in einem Orangenhain auf Capri unter blauem Himmel ruhen. Im Hintergrund musiziert ein Mandolinen­spieler. Robert, der aus dem Jura stammt, ist für seine Genremalereien und Darstellungen alltäglicher Szenen bekannt. In diesem Werk fängt er die Schön­heit der italienischen Landschaft ein. Mit kräftigen, kühlen Farben und klassischer Präzision entstand das Gemälde während Roberts Schaffensjahren in Italien (1818 – 1835).

Ausgehend von der mediterranen Stimmung hat sich Anita Leuthold für ihre florale Interpretation «den Duft der Orangen und der warmen, feuchten Erde» vorgestellt. Der wolkenlose, blaue Himmel und die Nähe des Meers rufen die Sehnsucht nach dem Süden hervor. Die sinnlich­ideale Stimmung des Bildes gibt Anita Leuthold mit der Verwendung von zwei klas­sischen Terracottavasen wieder. Während ein Gefäss gefüllt ist mit der duftenden Vegetation der Macchia, verweist die florale Füllung der zweiten Vase auf die Texturen und Farben der Kleider. Dabei war es der Meisterfloristin wichtig, dass sämtliche Blumen aus italienischem Anbau stammen (Anemonen, Nelken, Ranunkeln, Rosmarin, Gewürzlorbeer, Myrthe, Olive, Kamelie, Kirsche, Jasmin und Steineiche).

Andriu Deplazes + Katrin Riedwyl

Eine florale Interpretation eines Kunstwerkes aus der Sammlung des Aargauer Kunsthauses i
Blumen für die Kunst
4.3.–9.3.2025
Florale Interpretation: Katrin Riedwyl, Spiez
Werk: Andriu Deplazes, Regard tordu sur corps assis, 2023
Aargauer Kunsthaus
© 2025, ProLitteris, Zürich
Foto: David Aebi, Burgdorf

Der 1993 in Zürich geborene Andriu Deplazes malt einsame Figuren, die gesellschaftliche Paradoxe sichtbar machen. Mit einer leuchtenden Farbpalette verstärkt der Künstler die psychologische und ver­störende Komplexität seines Motivs. In Regard tordu sur corps assis wird der Blick zum Thema: Von oben blicken wir auf eine schlanke, vermutlich weibliche Figur mit nacktem Oberkörper. Sie sitzt in ihrer Ver­letzlichkeit auf einer Türschwelle und scheint uns mit unruhigem Blick anzuschauen.

Der unruhige Blick (regard tordu) des einsamen Men­schen hat Katrin Riedwyl tief berührt. Blicke können für die Meisterfloristin aber nicht nur unruhig, son­dern auch überheblich, erniedrigend und bedrohend sein. Es stellt sich für die Meisterfloristin somit grundsätzlich «die Frage nach Macht und Ohnmacht, wie wir einander begutachten und begegnen.» Der Kubus mit seinen zahlreichen Gefässen und der Farbe Gold verdeutlicht den Status von Reichtum, Materialismus, Erfolg und Luxus. Edle Blüten mit zum Teil starkem Geltungsdrang und Eigenwilligkeit wie Orchideen, hängende Heliconien, Kaiserkronen, Fla­mingoblumen, Callas und Tulpen unterstreichen diese Haltung. Türkis gefärbte Blumen symbolisieren Distanziertheit und Macht und die Überheblichkeit des Menschen, alles beherrschen zu wollen – auch die Natur.

Leiko Ikemura + Shreeram Kulkarni und Adarsh Suresh

Eine florale Interpretation eines Kunstwerkes aus der Sammlung des Aargauer Kunsthauses i
Blumen für die Kunst
4.3.–9.3.2025
Florale Interpretation: Shreeram Kulkarni & Adarsh Suresh, Mumbai (IND)
Werk: Leiko Ikemura, Sterbebett, 1983
Aargauer Kunsthaus / Depositum Eva Sonderegger-Schweizer
Foto: David Aebi, Burgdorf

Das Werk Sterbebett thematisiert den Übergang zwischen Leben und Tod und spiegelt somit Leiko Ikemuras lebenslange Faszination für das mysteriöse «Dazwischen» wider. Die Arbeit zeigt eine braune, menschenähnliche Figur auf grünem Hintergrund, die auf einer weissen Struktur liegt und von katzen­artigen Mischwesen umgeben ist. Während dunkle Vögel die Gestalt zu attackieren scheinen, entwei­chen aus ihrem Mund rote Flammen. Das Werk ist kennzeichnend für Ikemuras Schaffensphase der frühen 1980er­Jahre, besonders ihre ersten Jahre in Deutschland. Diese Zeit ist von einer gewaltsamen Bildsprache geprägt.

Die florale Interpretation von Shreeram Kulkarni und Adarsh Suresh versinnbildlicht die Reise der Seele über das Leben hinaus, inspiriert vom hinduistischen Pilgerort Manikarnika Ghat in Varanasi (IND). Ein feuriger Schweif aus Gloriosablüten (Feuerlilie) und roten Zweigen (Hartriegel) steht für die Flammen der Verbrennung, welche die Seele befreien. Schweben­de, ungebundene Blüten symbolisieren die göttliche Akzeptanz und den Aufstieg der Seele in die Ewig­keit. 144 Reagenzgläser und zwölf verschiedene Blumenarten spiegeln die kosmischen Zyklen des hinduistischen Festes Maha Kumbh und die spirituel­le Erneuerung des Planeten Jupiter wider. Die Krea­tion fängt den Moment der Transzendenz ein und feiert das Aufblühen der Seele ins Unendliche.

Karl Ballmer + Melina Anderegg

Eine florale Interpretation eines Kunstwerkes aus der Sammlung des Aargauer Kunsthauses i
Blumen für die Kunst
4.3.–9.3.2025
Florale Interpretation: Melina Anderegg, Unterengstringen
Werk: Karl Ballmer, Engel, um 1926/1927
Aargauer Kunsthaus / Depositum der Karl Ballmer-Stiftung
Foto: David Aebi, Burgdorf

Das Kunstwerk aus den Jahren 1926 und 1927 zeigt eine abstrahierte Darstellung eines Engels. Der Aargauer Künstler Karl Ballmer wurde dabei von Rudolf Steiners anthroposophischen Texten inspiriert. Die reduzier­ten Formen sind mit erdigen Farben in einem decken­den, pastosen Auftrag gemalt. Die starke Linienführung erzeugt eine plastische Reliefwirkung, wodurch der Engel als transzendente Figur zwischen der irdischen und der geistigen Welt zu schweben scheint.

Melina Anderegg möchte in ihrer floralen Interpre­tation Ballmers abstrahierte Darstellung des Engels dreidimensional erfassbar machen und somit nicht nur als geistiges, sondern auch als geerdetes und materielles Wesen darstellen. Die Tiefenwirkung – dargestellt durch feine gedrahtete Hartriegelgeflechte – soll den bildnerischen Prozess Ballmers vermitteln. Inspiriert durch die Pavatexunterlage des Werks, widerspiegelt das Geflecht ebenfalls die (unsichtbare) Gedankenwelt, die durchbrochen wird von einer do­minanten und bewusst farblich abgehobenen, aber unaufdringlichen Blumenfüllung mit Ranunkeln und Blütenzweigen in einer hellen Tonvase.

Silvia Bächli + Clirae Dupraz

Eine florale Interpretation eines Kunstwerkes aus der Sammlung des Aargauer Kunsthauses i
Blumen für die Kunst
4.3.–9.3.2025
Florale Interpretation: Claire Dupraz, Jussy
Werk: Silvia Bächli, Projektor, 1986
Aargauer Kunsthaus
Foto: David Aebi, Burgdorf

Das Werk Projektor der in Basel wohnhaften Künst­lerin Silvia Bächli veranschaulicht eindrucksvoll ihre sparsame, präzise Arbeitsweise mit Gouache auf Papier. In unterschiedlichen Transparenzgraden wird schwarze Gouache auf weissem Papier aufgetragen. Während einige Gegenstände – wie ein Stuhl – er­kennbar sind, bleiben viele Formen abstrakt. Bächli verzichtet bewusst auf eine Vollendung und lässt ihre Werke für Interpretationen offen. Sie sieht ihre Bilder als «halbangefangene Sätze». Die Künstlerin bevor­zugt eine Hängung in mehrteiligen Arrangements. Dies ermöglicht ihrer Ansicht nach Raum für freie Assoziationen.

Für Claire Dupraz finden sich in Bächlis Projektor Formen sowohl der sichtbaren als auch der unsicht­baren Welt – es geht in dieser Arbeit für die Floristin aber auch um «Impressionen, Gefühle und Nuancen». Wer kann wirklich sagen, was es zu sehen und damit zu erkennen gibt? Ausgehend von ihrer Vorstellungs­kraft entwickelt Dupraz eine florale Bildsprache, die diese verschiedenen Wahrnehmungsebenen vereint. Damit verweist die Floristin auch auf die Frage, wo die Grenze unserer Wahrnehmung ansetzt. Dem abstrahierenden künstlerischen Ansatz Bächlis antwortet Dupraz daher mit feinsten Geästen, Oberflächentex­turen und Formenreichtum, um auch auf floraler Ebene unsere Wahrnehmung herauszufordern.

Daniel Spoerri + Manuela Bucher

Eine florale Interpretation eines Kunstwerkes aus der Sammlung des Aargauer Kunsthauses i
Blumen für die Kunst
4.3.–9.3.2025
Florale Interpretation: Manuela Bucher, Aesch
Werk: Daniel Spoerri, La Pharmacie Bretonne, 1981
Aargauer Kunsthaus / Depositum Sammlung R.
© 2025, ProLitteris, Zürich
Foto: David Aebi, Burgdorf

Daniel Spoerri widmete seine künstlerische Praxis der Wirklichkeit. Er verwendete für seine Plastiken alltägliche Gegenstände, wie etwa die Überreste einer Mahlzeit. In den 1980er­Jahren reiste er durch die Bre­tagne, um heilkräftige Quellen zu dokumentieren. Das Resultat ist eine Sammlung von 117 Wasserproben, die hier kunstvoll in Fläschchen präsentiert werden. Ein begleitendes Buch beschreibt die Geschichten und Bräuche dieser Quellen. In La Pharmacie Bretonne (die bretonische Apotheke) reflektiert Spoerri die Bezie­hung zwischen Mensch und Tradition.

Spoerris künstlerisches Anliegen, alltägliche Objekte in eine andere Erzählform zu bringen, hat Manuela Bucher inspiriert, Blumen zu verwenden, welche be­reits im Empfangsraum einer Arztpraxis oder einer Bank verwendet wurden. Manuela Bucher fügt sie als Erinnerungsmaterial neu zusammen und verweist damit in Anlehnung an Spoerri auf die Mutation des Wiederkehrenden in der Natur. Die benutzten Blumen legt sie auf handgeschöpftes Papier, dessen Herstel­lung Wasser benötigt. Analog zu Spoerris Etiketten auf seinen Glasflaschen, erkennt man auch bei ihr die Herkunft der bereits gelebten Blumen. Die florale Interpretation ist in einer Reihe präsentiert und er­innert an die Bewegung des Wassers.

Karl Ballmer + Carmen Weibel

Eine florale Interpretation eines Kunstwerkes aus der Sammlung des Aargauer Kunsthauses i
Blumen für die Kunst
4.3.–9.3.2025
Florale Interpretation: Carmen Weibel, Sursee
Werk: Karl Ballmer, Durée (an Henri Bergson), 1931
Aargauer Kunsthaus / Depositum der Karl Ballmer-Stiftung
Foto: David Aebi, Burgdorf

Das Ölbild hat der damals in Hamburg wohnhafte Künstler auf einer Tischlerplatte gemalt. Es spie­gelt die künstlerische Wende Ballmers im Kontext der Hamburgischen Sezession wider. Die Gruppe strebte eine Gleichwertigkeit von Linie, Fläche und Farbe an. Durée (Dauer) zeigt zwei ovale, kopfartige Formen mit dünnen Augenschlitzen. Hier kombi­niert die Farbpalette braune Töne mit expressiven dunkelroten, hellblauen und weissen Pinselstri­chen. Während wellenartige, organische Formen an Hügel und Täler denken lassen, geht es weniger um konkrete Darstellungen, sondern vielmehr um eine tiefe, innere Erfahrung beim Betrachten.

Carmen Weibel überträgt die abstrakte Komposition auf ihre florale Gestaltung. Die Meisterfloristin hat handgedrehte Steinzeugvasen in verschiedenen Formen hergestellt, die sie zu einer neuen organi­schen Gesamtform zusammenfügt. Die Farbigkeit des Bildes findet sich in den filigranen Floralien wieder. Das Bild erinnert Carmen Weibel an ein menschliches Gesicht. So lädt die Meisterfloristin die Betrachtenden ein, sich in einem Spiegel wahr­zunehmen und zu reflektieren: «Was sind die we­sentlichen Dinge, die meinem Leben Sinn und Erfüllung verleihen? Die Lebenszeit, die uns zur Ver­fügung steht, ist begrenzt.» Verwendete Floralien sind Brombeerranken, Buchenäste, Hartriegel rot, Fritillaria, Muscari, Disteln, Ranunkeln.

Jean Pfaff + Walter Zellweger

Foto einer Blumeninstallation in Front eines abstrakten Kunstwerkes mit einem Farbverlauf i
Florale Interpretation von Walter Zellweger, Schwellbrunn
zum Werk von Jean Pfaff (*1945), Spaltkasten, 1974
Aargauer Kunsthaus
Mit Genehmigung des Künstlers
© Jean Pfaff
Foto: David Aebi, Burgdorf

Das zweiteilige Werk Spaltkasten wurde 1974 vom Basler Künst­ler Jean Pfaff geschaffen. Die einfache Ästhetik zeigt sein Interesse für die Ideen der Minimal Art. Ein zentrales Element der Darstellung ist das Farbspek­trum, das auf Farbtheorien verweist. Auf zwei gleich grossen Leinwänden ist das Farbspektrum in der Mitte in zwei dünne Abschnitte gespalten. Das Werk spiegelt Pfaffs Interesse daran wider, wie wir Farben wahrnehmen.

Da Walter Zellweger «echte, ehrliche Materialien» schätzt, fühlte sich der Meisterflorist umgehend von der rohen Leinwand des Bildes angesprochen: «Schuss und Kettfaden der Leinwand sind sichtbar und zeugen vom Handwerk.» Die Spektralfarben des Bildes fasst er in der Farbe Weiss zusammen, wel­ches die Summe sämtlicher Farben ist. Die florale Interpretation besticht mit einer Konstruktion aus Stahl, die neue und überraschende Blicke im Dialog mit dem Bild von Pfaff eröffnet.

Marianne Kuhn + Sandra Maarsen

Eine florale Interpretation eines Kunstwerkes aus der Sammlung des Aargauer Kunsthauses i
Blumen für die Kunst
4.3.–9.3.2025
Florale Interpretation: Sandra Maarsen, Bern
Werk: Marianne Kuhn, Ohne Titel (2-teilig), 1990
Aargauer Kunsthaus
Foto: David Aebi, Burgdorf

Die zweiteilige Zeichnung zeigt auf den beiden sechs Meter langen Papierstreifen eine Stadtlandschaft, die aus unzähligen Grafitstrichen und ­schichten besteht. Die 1949 in Aarau geborene Künstlerin Marianne Kuhn präsentierte dieses Werk zum ersten Mal 1991 im Rahmen einer Einzelausstellung im Aargauer Kunst­haus. Sie ist für ihre experimentelle Auseinanderset­zung mit Grafit und schwarz­weissen Zeichnungen bekannt. Die Künstlerin arbeitet in kniender Position und nutzt die minimalen Mittel der Zeichnung, um eine beeindruckende Formenvielfalt entstehen zu lassen.

Angezogen von der Grösse und gleichzeitigen Schlichtheit von Kuhns Zeichnung, spürte die Meis­terfloristin «den Rhythmus der unzähligen Schichten Grafit, welche sich Schicht um Schicht auf das Papier ablagern.» Mit ihrer floralen Interpretation möchte Sandra Maarsen diesen Grafitschichten mit der Farb­palette des Regenbogens und unterschiedlichsten Blumen «ein Gesicht geben». Während aus der Dis­tanz vor allem die Farben der Blumen wirken, wird aus der Nähe ähnlich den einzelnen Grafitstrichen die Einzigartigkeit jeder einzelnen Blume sichtbar.

Ferdinand Hodler + Ursina Huber und Martina Kistler

Eine florale Interpretation eines Kunstwerkes aus der Sammlung des Aargauer Kunsthauses i
Blumen für die Kunst
4.3.–9.3.2025
Florale Interpretation: Ursina Huber & Martina Kistler, Hünenberg
Werk: Ferdinand Hodler, Krieger (Landsknecht), 1895
Aargauer Kunsthaus
Foto: David Aebi, Burgdorf

Im hochformatigen Bild zeigt der in Bern geborene Ferdinand Hodler einen imposanten, rot gekleideten Soldaten mit dunklem Bart, der in seiner Hand eine Hellebarde hält. Das Gemälde wurde im Jahr 1896 im Rahmen der Schweizerischen Landesausstellung in Genf präsentiert. Krieger ist Teil eines Ensembles von 26 gleich grossen Gemälde mit männlichen Figu­ren in traditioneller Schweizer Kleidung. Die Darstel­lungen reflektierten das schweizerische Bestreben nach nationaler Einheit. Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass die Farbschichten zügig aufgetra­gen wurden, um die monumentale Fernwirkung zu optimieren.

Die Floristinnen Martina Kistler und Ursina Huber möchten Hodlers Krieger «eine kraftvolle und heraus­fordernde Antwort» entgegensetzen. Ihre florale In­terpretation ist weich und schlank gehalten, «ähnlich einem Schatten». Die verschiedenen Orchideenblüten stammen aus fremden Ländern und haben unter­schiedliche Formen, was für die beiden Floristinnen Vielfalt symbolisiert. Die leuchtenden Farben der Blüten wiederum strahlen Kraft aus und fügen sich spielerisch in die Gestaltung ein. In regelmässigen Abständen sind Wassernüsse wie kleine Lanzen an­geordnet. Sie wirken abwehrend, bringen aber zu­ gleich Klarheit und Struktur, was für Sicherheit und Stabilität steht: «Jetzt, 2025, ist unser Gegenüber viel­fältig, überraschend und fordert gleichzeitig heraus!»

Alexandre Calame + Regi Bockhorni

Eine florale Interpretation eines Kunstwerkes aus der Sammlung des Aargauer Kunsthauses i
Blumen für die Kunst
4.3.–9.3.2025
Florale Interpretation: Regi Bockhorni, Zürich
Werk: Alexandre Calame, Bergsturz im Haslital, 1839
Aargauer Kunsthaus / Depositum Alpines Museum der Schweiz
Foto: David Aebi, Burgdorf

Bergsturz in Haslital ist ein herausragendes Beispiel für die Malerei des 1810 in Vevey geborenen Alexan­dre Calame. Imposante Darstellungen der Schweizer Berglandschaft sind charakteristisch für seine Kunst. Das Bild verleiht der Natur eine monumentale, auch gewaltsame Dimension, in der der Mensch klein er­scheint. In diesem Werk verschwindet eine felsige Berglandschaft hinter einer dichten, dunklen Wolke. Die Bäume am Bach – zwischen aufgetürmten Stein­haufen – wirken zerrüttet. Dramatische Licht­ und Schatteneffekte stehen im Kontrast zu Calames frü­heren idyllischen Alpenlandschaftsbilder.

Das Bild hat Regi Bockhorni wegen der Kraft der Natur und des Lebens angesprochen, der wir zuwei­len ohnmächtig ausgeliefert sind. Nach dem Berg­sturz gibt es zwischen den abgebrochenen Ästen und Steinen immer noch Leben: Ein fassungsloses Paar sitzt zwischen den Trümmern. Mit Ikebana gestaltet Regi Bockhorni das Leben mit natürlichen Materia­lien nach: Zwei hohe Vasen vereinen Kiefern, Vrie­sea, Korallenblumen, Anthurien und trockene Zweige. Die Gegenwart ist präsent in den lebendigen Kiefer­zweigen, die Vergangenheit wird in den morbiden, abgebrochenen Ästen vergegenwärtigt. Das Grün ist dabei als Hinweis auf den Blick in die Zukunft zu verstehen. Die kleinere Vase wiederum symbolisiert das Paar, das demütig der Kraft der Natur gegenübersteht.

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