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Reigen der Alraunen

Klodin Erb
Vorhang fällt Hund bellt

Ich wurde eingeladen, im Rahmen eines Kunst-am-Bau­-Auftrags ein Werk für die Lernhalle der Kantonsschule Wettingen zu realisieren. Im Zentrum standen die be­sondere Eigenheit und Schönheit des Ortes – und der Versuch, Kunst und Architektur gemeinsam zu denken und in einen lebendigen Dialog zu bringen.

In den ehemaligen Kellergewölben des Zisterzienser-Klosters Wettingen – einem Ort tiefer Geschichte – befindet sich heute die Lernhalle der Kantonsschule. Dort, im steinernen Bauch des Gebäudes, ist ein Fresko entstanden, das sich in leise Zwiesprache mit der Architektur begibt.

Dem Projekt voraus ging eine intensive Auseinandersetzung mit der Geschichte des Klosters: seine Räume, seine Reste, seine Rhythmen. Besonders die Fragmente alter Fresken zogen mich an – leise Zeugen vergangener Zeit, die eine unmittelbare Verbindung zur Wand, zur Geschichte, zur Handarbeit aufzeigen. Schon lange fasziniert mich die Freskotechnik, und hier war der Ort, sie selbst anzuwenden und weiterzuführen.

Das Kloster stand seit jeher in enger Verbindung zur Erde: Der Boden wurde bestellt, es wuchsen Wein, Gemüse, Heilkräuter – im Einklang mit Natur und Notwendigkeit. Diese Erdverbundenheit entsprach nicht nur dem Lebens­stil der Mönche, sondern auch dem Geist, der bis heute in den Mauern spürbar ist. Ich wollte ein Bild schaffen, das diesem Geist Rechnung trägt – und zugleich die Gegenwart nicht verleugnet.

Die Lernhalle als Ort des Übergangs, des Wachsens, des Suchens. Wo junge Menschen sich formen, umformen, neu erfinden. Wo Kräfte entstehen, sich verwirbeln, ordnen. Inmitten dieses Spannungsfelds sollte ein Werk stehen, das nicht bevormundet, sondern begleitet – das eine Lesbarkeit anbietet, ohne eine einzige Deutung zu verlangen.

So entstand der «Reigen der Alraunen“ – eine verspielte Choreografie wurzelhafter Wesen, die sich in einem tanzenden Kreis begegnen. Alraunen: halb Pflanze, halb Mensch, seit jeher umwoben von Mythen, Heil­kräften und Märchen. In dieser Form lassen sie vielfältige Assoziationen zu – zu Medizin, Volksglauben, Kunstge­schichte, Hildegard von Bingen, aber auch zu Popkultur, Magie und Fiktion, von antiken Heilbüchern bis zu Harry Potter. Ein offenes Bild, das Fragen stellt, statt Antworten zu geben.

Das 5 x 10 Meter grosse Secco-Fresko wurde mit Natur­pigmenten realisiert, die wir stets frisch mit Wasserglas und Wasser anrührten. In mehreren Schichten, mit feinem Gespür für Wand, Licht und Materialität, setzten wir Farbe an die Wand – stets im Dialog mit dem Stein, dem Terrazzoboden, den Fenstern zum Kreuzgang. Der Ort selbst war das Gegenüber, dem das Bild begegnete. Das Werk versteht sich als Versuch, Kunst, Architektur und Spiritualität miteinander zu verweben. Als eine Geste des lnnehaltens inmitten eines Ortes des Übergangs. Möge es Bestand haben – nicht nur physisch, sondern auch in jenem grösseren Sinn, den wir nicht kontrollieren, aber immer wieder ersehnen.

Wandbild in der Lernhalle der Kantonsschule Wettingen, Realisation mit Assistenz von Stefanie Thioub und Emil Gut

Realisation: flimmern gmbh

Produktion: Frank Gysi, Teamleiter Bauherrenvertretung Immobilien Aargau

Musik: mobygratis.ch

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