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San Keller, Dusk Dawn II, 2015
Irisdruck auf Papier auf Alu, 128 x 89.5 cm resp. 89.5 x 128 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau
Copyright: San Keller (2015)
Fotocredit: Flurin Bertschinger, Zürich

In den Rollen von Seth und Richard Gecko, einem abgedrehten Brüderpaar, parodieren George Clooney und Quentin Tarantino im Hollywood-Streifen „From Dusk Till Dawn“ (1996) einige Hauptgenres des Kinos und führen sie als Mix aus Gangster- und Roadmovie, Vampir- und Splatterfilm vor. Auf dem Filmplakat sind die Beiden, Knarre in der Hand, vor einem unheilvoll aufgeladenen Abendhimmel zu sehen. Fledermäuse lassen erahnen, was die Handlung zwischen Abend- und Morgendämmerung bringt, und wem dies nicht Hinweis genug ist, der findet im scharfzahnigen W des typografisch auf die Worte Dusk und Dawn zugespitzten Filmtitels ein weiteres Indiz.

Ähnlich Dramatisches ist auf den Irisdrucken „Dusk Dawn I“ und „Dusk Dawn II“ des Zürcher Konzeptkünstlers San Keller (*1971) nicht zu erkennen. Ungewohnt abstrakt für sein Schaffen, zeigen sie nebst der Grundfarbe Gelb einzig einen horizontalen Farbverlauf von Hell- zu Dunkelblau respektive von Rot zu Violett. Das Spektakel ist also ganz der Farbe vorbehalten, was die Blätter in die Nähe gewisser amerikanischer Nachkriegspositionen aus dem Umkreis des Color Field Painting rückt, allen voran Mark Rothko (1903–1970) und Jules Olitski (1922–2007). Verleitet durch die Werktitel ist man aber gleichwohl versucht, in den beiden Streifenbildern Landschaften zu sehen, und dies trotz der Hochformate. Die Blautöne lassen an den Tagesanbruch denken, die Rottöne evozieren das Schauspiel des Einnachtens bei klarem Himmel. In der Kunst tut sich hier mit den Lichtspektren des Westens und Südwestens, wie sie James Turrell (*1943), Larry Bell (*1939) und weitere Vertreter des kalifornischen Light and Space Movement in den 1960er-Jahren entdeckten und sublimierten erneut ein Bezug zu Amerika auf.

Auch San Kellers „Dusk Dawn“ spielt – ironisch gebrochen – mit der kalifornischen Dämmerungskulisse. Entstanden sind die Grafiken nämlich im Nachgang zu einer Reise mit offenem Outcome, die der Künstler 2014 nach Los Angeles unternommen hat. Im Rahmen der „Disteli-Dialoge“ des Kunstmuseums Olten suchte er dort in Form einer ausgedehnten Street-Performance einen Sammler, der bereit gewesen wäre, sich von einem Werk von Andy Warhol (1928–1987) zu trennen. Erhalten hätte dieser im Tausch dafür den gesamten, rund zweitausend Werke umfassenden Oltener Bestand des politischen Zeichners und Karikaturisten Martin Disteli (1802–1844), einem feurigen Vertreter des Liberalismus im alten und besten Sinn. Das provokative, nach dem Wert der Kunst und der Bedeutung hehrer Ideale in einem rundum ökonomisierten Umfeld fragende Vorhaben verlief sich zwar im Leeren. Wichtiger war aber ohnehin das Anstossen von Denkprozessen, und diesen Anspruch erfüllt der Film „The L Word – No mas metales“ (2015), in den das Wagnis nebst mehreren weiteren Werkteilen mündete, auf vielfache Weise. Sanft karikierend und voller Querbezüge zum Trio Disteli-Keller-Warhol reflektiert der Streifen gesellschaftliche Realitäten und stellt nebenbei nach dem Motto „San Goes Hollywood“ einen neuen Genre-Mix her, wobei sich diesmal die Sparten Politthriller, Roadmovie, Doku und Experimentalfilm verweben.

Zu diesem Erstling des Künstlers, der an den 50. Solothurner Filmtagen Premiere feierte, lieferten die Farbverläufe auf Vorschlag des Zürcher Grafikbüros Elektrosmog den Hintergrund des Filmplakats. Oder genauer: der Filmplakate, da diese in acht Variationen gedruckt wurden. Farblich wiesen je zwei Varianten die Kombinationen Lila-Gelb, Gelb-Orange, Blau-Gelb und Gelb-Blaugrün auf, also im Wesentlichen die obere oder untere Hälfte der Grafiken, wenn auch blasser und feiner im Übergang. Vier Varianten beinhalteten nebst dem Filmtitel und den wichtigsten Namen nur ein formatfüllendes L, die anderen zeigten den Kopf des Künstlers im Profil. Wurden die Aufdrucke im Siebdruckverfahren realisiert, so entschied man sich gemeinsam mit der Berner Plakat- und Siebdruckwerkstatt Uldry bei den Hintergründen für die alte Technik des Irisdrucks: Bei diesem Verfahren werden die Bögen quer zur Laufrichtung durch die Maschine geschickt und alle Farben werden Stoss an Stoss in einem Vorgang gedruckt. Weil dabei auf das Oszillieren der Verreibwalze verzichtet wird, vermengen sich die einzelnen Töne erst mit der Zeit. Die Exemplare sind daher genau genommen allesamt Unikate, und namentlich die ersten, in der Regel unbrauchbaren Bögen, die im Fall von „Dusk Dawn“ zur Edition wurden, weisen statt des erwünschten zarten Farbverlaufs noch deutlich separierte Farbeffekte auf. So zählt auch hier – wie bei Kellers Tauschprojekt und der Dämmerung – nicht das Endresultat, sondern der Weg dahin, der Prozess.

Astrid Näff

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