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Guido Nussbaum, Nu-Akt, 1980
Farbfotografie auf Aluminium, 74 x 90 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau
Fotocredit: Jörg Müller, Aarau

Guido Nussbaum (*1948) studiert an der Kunstgewerbeschule Luzern gestalterische Plastik, Malerei und Fotografie. Anschliessend erwirbt er das Zeichenlehrerpatent und unterrichtet einige Jahre in seinem Heimatkanton Aargau. Ab 1976 tritt er erstmals in Erscheinung mit seinen sogenannten „Manöggeln“, abstrakten Holz- und Blechfiguren, die er aus reduzierten Formen und Volumina zimmert. 1982 zieht Nussbaum nach Basel. Neben einem Lehrauftrag an der Schule für Gestaltung arbeitet er an seinem eigenen Œuvre. In seinen konstruktiven Plastiken wie auch in den ab 1984 entstehenden realistischen Gemälden kommt eine hohe handwerkliche Fertigkeit und Präzision zum Ausdruck. Erweitert wird sein Schaffen um die Gattungen Fotografie, Installation und Kunst am Bau. Aktionskunst, Audio- und Videoarbeiten fügen der materialbetonten Arbeit eine flüchtige, diskursive Ebene hinzu. Häufig zeigt sich erst auf den zweiten Blick, dass hinter der vermeintlich leicht lesbaren Bildsprache ein konzeptueller Ansatz steckt: Während einige Arbeiten als kritische Kommentare auf den Kunstmarkt zu lesen sind, lassen andere über Wahrnehmung und Kategorisierung von Malerei, Fotografie und Plastik nachdenken.

In diesem Sinn lässt sich auch die Fotografie „Nu-Akt“ als ‚Meta-Bild‘ auffassen. Die Fotografie wurde 1980 an der Jahresausstellung im Aargauer Kunsthaus gezeigt und anschliessend für die Sammlung angekauft. Die Abbildung zeigt den Künstler Guido Nussbaum, wie er im Ausstellungsraum des Kunstmuseums Luzern mit ausgestrecktem Arm auf sein eigenes Werk deutet. Dieses setzt sich aus elf weiblichen Aktdarstellungen zusammen, die der Künstler in den Depots des Aargauer Kunsthauses und des Kunstmuseums Luzern gefunden und zu einem abstrakten „Manöggel“ gehängt hat. Durch die Verwendung der Gemälde als ‚Bausteine‘ verkommt das Motiv des nackten Körpers zum blossen Gestaltungselement. Innerhalb der rudimentären Figurensilhouette scheint das Einzelwerk beliebig austauschbar. Die Methode, seine eigene Person ins Bild zu integrieren, wird für Nussbaum in den 1980er- und 1990er-Jahren zur Konstante. Dabei präsentiert sich der Künstler meist ungeschönt und unaufgeregt – mal in Porträtansicht, mal als Rückenfigur, dann wieder nur ausschnitthaft mit Blick auf seinen Haaransatz, seine Beine oder Hände. In der vorliegenden Komposition fungiert er als Vermittler zwischen seinem Kunstwerk und uns als Rezipienten. Durch seinen Zeigegestus werden wir zum aktiven Schauen aufgefordert und aus der Rolle der heimlichen Beobachter und Beobachterinnen befreit. Doch wie will der Künstler seine Inszenierung verstanden wissen? Als Dekonstruktion von Malerei oder lediglich als heiteres Spiel mit dem traditionellen Figurenbild? 1987 konstatiert Nussbaum im Katalog seiner Retrospektive in der Kunsthalle Basel, dass seine Kunst stets auf die bereits geleistete „Bildarbeit“ Bezug nehme. Demnach verstehe er sich als „Mitarbeiter an der europäischen Kulturgeschichte“. Die Gemälde, die er für „Nu-Akt“ verwendet habe, seien „zum Teil gut, zum Teil schlecht. Man muss sie sich im einzelnen ansehen, es ist scharfe Fotografie und gerade deshalb auch so vergrössert. […] Wenn dann jemand nur bis an den Punkt kommt, an dem die Figur erkennbar wird, ist er selbst schuld.“ In der Tat – wer die rein illustrative Ebene überwindet und die unkonventionelle Hängung der Gemälde als Anregung zum Quervergleich begreift, gelangt – losgelöst von Chronologie und Autorschaft – zu einer übergeordneten Befragung der Malerei nach ihrer Tradition, Charakteristik und Qualität.

Julia Schallberger

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