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Peter Fischli David Weiss, Ohne Titel (5-teilig), 1983

Aargauer Kunsthaus Aarau / Schenkung der Erben Luzius Züst
Copyright: Courtesy the artists & Galerie Eva Presenhuber, Zurich
Fotocredit: René Rötheli

Peter Fischli (*1953) und David Weiss (1946–2012) zählen zu den international renommiertesten Vertretern des Schweizer Kunstschaffens. In ihrer über dreissigjährigen Zusammenarbeit bis zu Weiss‘ Tod 2012 gilt ihr besonderes Interesse dem Alltäglichen, dem sie mit feinem Humor und liebevoller Parodie nachspüren. Charakteristisch ist die Vielfalt an künstlerischen Ausdrucksmitteln, auf die das Duo zurückgreift: Film, Fotografie und Installation begegnen uns ebenso wie Skulpturen und Künstlerbücher. Stets aber bleibt eine Einfachheit und Zugänglichkeit bestehen, die Fischli / Weiss‘ Kunst so nahbar und beim Publikum so beliebt macht. Häufig werden die Arbeiten in Serien entwickelt. Viele von ihnen sind heute weltbekannt, beispielsweise die Objektsammlung „Plötzlich diese Übersicht“. In der Sammlung des Aargauer Kunsthauses befinden sich insgesamt vier Tonskulpturen, die zu dieser Serie gehören („Bauplatz der Pyramiden“ / „Autobahn“ / „Charlie Parker, nachdem er Loverman gespielt hat und nackt in der Hotelhalle seine Kleider verbrennt, worauf ihn die andern nach Camarillo einliefern“ und die Edition „Einheimischer Waldboden“, alle 1981), weitere Fotoarbeiten und Plastiken sowie das Objektensemble „Ohne Titel“ aus Polyurethan von 1983.

Nach den frühen plastischen Arbeiten in Ton führen Fischli / Weiss Experimente mit verschiedensten Materialien zum Werkstoff Polyurethan. Es ist leicht, schnitzbar und gut geeignet, um bemalt zu werden. Ab 1982 entstehen daraus die ersten Einzelobjekte und mehrteilige Skulpturen, ab 1991 werden gar ganze Räume mit Polyurethan ausstaffiert. Allen Arbeiten ist gemein, dass das Material verwendet wird, um Dinge aus dem Alltag nachzubilden. Irritieren die späteren Installationen durch den perfekten Illusionismus, den die täuschend echten Repliken an den Tag legen, läuft man bei den früheren Arbeiten weniger Gefahr, die Objekte mit ihren Vorlagen zu verwechseln. Auch das vorliegende Ensemble aus Stiefel, Bürste, Krug, Fressnapf und Seife ist eindeutig eine Nachbildung. Ähnlich wie in der Arbeit „Floss“ (1982), die bekannteste aus der Werkgruppe dieses Typs, sind die lebensgrossen Objekte vielmehr Comicversionen oder Karikaturen der Dinge, die sie darstellen. Mit ihren unebenen Konturen und leicht aufgeblasenen Formen haftet ihnen etwas Skurriles an, ja geradezu niedlich wirkt das schwarze Gummistiefelpaar mit den dicken Sohlen und dem breiten Schaft und ebenso der Krug, der etwas gar zu bauchig geraten scheint. Bei der Bürste sind die Oberflächenstrukturen fein säuberlich malerisch imitiert und der signalrote Fressnapf dient als Behälter für das ockerfarbene Objekt, das wie eine Seife aussieht. Im Zusammenschluss bilden die Skulpturen ein plastisches Stillleben: der Erscheinung nach banale Alltagsobjekte, in Wahrheit aber leicht, fragil und vollends auf ihre Oberfläche reduziert oder – wie es Fischli / Weiss formulieren – lauter nützliche Dinge „von der Sklaverei ihrer Nützlichkeit befreit“.

Mit ihrem Vorgehen fordern die Künstler das Prinzip des Readymades heraus. Anstatt wie Marcel Duchamp und viele nach ihm Kaufhauswaren in das Museum zu transferieren, formen sie in aufwendiger Handarbeit genau diese Waren nach, präsentieren sie jedoch im Ausstellungsraum, als wären sie Readymades. Damit begeben sich Fischli / Weiss zwar in die Rolle des klassischen Bildhauers, simulieren aber nicht nur die Dinge selbst, sondern darüber hinaus auch die Konzepte der modernistischen Paradedisziplin.

Yasmin Afschar

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