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Johannes Robert Schürch, Clown, 1921
Öl auf Leinwand, 44 x 40 cm
Aargauer Kunsthaus, Aarau
Copyright: Erica Ebinger-Leutwyler Stiftung

Dem in Aarau geborenen Zeichner, Maler und Grafiker Johannes Robert Schürch (1895–1941) wird 1976 im Aargauer Kunsthaus unter der Leitung von Heiny Widmer eine Retrospektive ausgerichtet. In Folge derer gelangen einige Werke in die Sammlung des Aargauer Kunsthaus. Durch den nachfolgenden Direktor Beat Wismer wird dieser Bestand entscheidend auf- und ausgebaut. Mit über fünfzig Nummern wird damit ein Schwerpunkt in der Sammlung des Aargauer Kunsthauses gesetzt.

„Clown“ gilt als Frühwerk Schürchs und entsteht Ende 1921 während eines Aufenthalts in Florenz, wo er im Zuge eines Auftrages Alte Meister kopiert. Daneben spielt der Künstler, auf der rastlosen Suche nach der eigenen Bildsprache, die unterschiedlichsten künstlerischen Ausdrucksformen durch. Im vorliegenden Gemälde hält Schürch beinahe bildfüllend das Antlitz eines Clowns mit pastosem Auftrag fest. Das weiss geschminkte Gesicht mit den auf beide Wangen und Kinn gesetzten roten Punkten sowie der in gleichem Farbton gefärbten Nasenspitze und ebensolchen Lippen vermögen nicht über die traurige Gemütsverfassung des Abgebildeten hinwegzutäuschen. Der resignierte Blick aus den eingefallenen, dunkel umrandeten Augen richtet sich an uns Betrachtenden vorbei. Einen weiteren farblichen Akzent bildet die gelbe Kleidung, von der der auffällige sternförmige Kragen sichtbar ist. Im von dunklen Tönen dominierten Hintergrund zeichnet sich die Manege und das Publikum ab.

Im Sammlungskatalog des Aargauer Kunsthauses von 1983 wird „Clown“ als „eindringliches Existenzbild“ bezeichnet. Der Dargestellte, betont durch seine an den äussersten Bildrand gedrängten Stellung, wird als Metapher für alle Ausgestossenen angesehen, die in Schürchs Œuvre von Belang sind, wie er auch selbst feststellt: „Die Menschen bei mir werden immer tragisch, fast bis zur Lächerlichkeit; aber ich kann nichts dafür. Es ist durchaus nicht etwa ein Interessant-machen-Wollen, wenn ich Absinthtrinker, Gaukler, Verbrecher oder was weiss ich mache, auch ist es gar keine Anklage gegen die Gesellschaft. Diese Vorwürfe drängen sich mir fast gegen meinen Willen. Sobald ich etwas Beruhigtes, Schönes machen will, gibt es nichts daraus.“ Darüber hinaus kann das Bild auch als Selbstporträt des Künstlers interpretiert werden. Früh verliert Schürch den Vater und beide Schwestern, was die Bindung zu seiner Mutter verstärkt und ihn aufgrund existenzieller Bedrohung zur Ausübung unterschiedlichster Tätigkeiten zwingt. Schürch malt beispielsweise Plakate für den Zirkus, begleitet ihn auf Tourneen und baut dadurch eine Beziehung zur Zirkuswelt auf, die sich inhaltlich in manchen Schilderungen niederschlägt; insbesondere stammen mehrere Bildnisse von Clowns aus der Hand des Künstlers.

Schürchs Schaffen wird in der Kunstgeschichtsschreibung der Strömung des Expressionismus zugeordnet, er gehört aber wie Louis Soutter (1871–1942) keiner Gruppierung des Schweizer Expressionismus an, sondern bleibt eine Einzelfigur. Die Kunstrichtung hält sich in der Schweiz länger, weil sie einerseits später einsetzt als in Frankreich oder Deutschland und sie andererseits von einzelnen Kunstschaffenden getragen wird, die sich weniger um kunstgeschichtliche Stile kümmern, als ihren Blick von innen nach aussen richten. Schürch kann als ein solcher Expressionist aus innerer Haltung bezeichnet werden, denn seine eigenständigsten Arbeiten entstehen ab 1922, als die grosse Welle des Expressionismus schon vorüber ist.

Karoliina Elmer

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