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Jean-Louis De Marne, Belagerung und Erstürmung einer Festung, ohne Jahr
Oil on canvas, 82 x 114 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau / Schenkung aus Privatbesitz

In „Belagerung und Erstürmung einer Festung“ wird die Aufmerksamkeit der Betrachtenden sofort auf die zwei sich bekämpfenden Reiter im Bildvordergrund gelenkt. Gekonnt halten sie sich im Sattel der sich aufbäumenden Pferde – ein bevorzugtes Motiv in der französischen Militärmalerei des 18. Jahrhunderts – und holen mit ihren Schwertern zum Angriff aus. Auf dem Boden liegen Gefallene, und im Mittelgrund zieht sich das tobende Kampfgeschehen weiter. Aufsteigende Rauchwolken und der rötlich gefärbte Himmel hinter dem Festungsbau am linken Bildrand lassen auf Brände schliessen. Wie in anderen Werken de Marnes sind die Figuren teilweise nachlässig ausgeführt, was aber dem lebendigen und malerischen Gesamteindruck der Darstellung keinen Abbruch tut.

Der aus Brüssel stammende Jean-Louis de Marne (1752–1829) zieht mit zwölf Jahren nach Paris und beginnt eine Lehre als Tapetenmaler. Anschliessend folgt von 1769 bis 1777 die erste künstlerische Ausbildung beim Historienmaler Gabriel Briard (1729–1777). Anfänglich tritt er in die Fussstapfen seines Lehrers, widmet sich aber später der Landschaftsmalerei und erarbeitet sich in Paris einen Ruf als überaus produktiver Tier- und Genremaler. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist die niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts in Paris äusserst populär, und auch de Marne findet anregende Impulse bei Künstlern wie Aelbert Cuyp (1620–1691), den Gebrüdern Adriaen (1610–1685) und Isaac van Ostade (1621–1649), Paulus Potter (1625–1654), Adriaen van de Velde (1636–1672) und Karel Dujardin (1622–1678). Vorbereitende Studien für seine Darstellungen fertigt er mehrheitlich im Osten Frankreichs, hält sich aber in den 1780er-Jahren auch in der Schweiz am Murtensee und im Wallis auf. Als der Generaldirektor des damaligen Pariser Napoleonmuseums ihn im Namen des Herrschers Napoleon I. auffordert, das Bild „Entrevue de Napoléon et de Pie VII dans la forêt de Fontainebleau, le 24 novembre 1804“ (1808, Musée national du Château de Fontainebleau) zu malen, erreicht seine Karriere einen ersten Höhepunkt. Die Ernennung zum Ritter der Ehrenlegion 1828 ist ein weiterer prägender Moment in der Laufbahn des Künstlers.

Militärische Szenen und Gefechte bilden wichtige Sujets im Œuvre de Marnes. Seine Werke entstehen in einer Zeit, als sich die Militärmalerei durch das Aufbrechen feudaler Strukturen und durch erstarkende Nationalisierungstendenzen vom akademischen Klassizismus und von der höfischen Schlachtenmalerei loslöst. Die Künstler wenden sich einer realistischen, volksnahen Darstellung des Kriegs- und Soldatenalltags zu. Diese Tendenz geht einher mit der allgemeinen Entwicklung zum Realismus, bei der die dem Geschmack des Adels verpflichtete Kunst an Bedeutung verliert. Früh entdeckt Napoleon I. das Potenzial von Schlachtenbildern für die Vereinheitlichung einer nationalen Rhetorik und lässt vom Historienmaler Antoine-Jean Gros (1771–1835) propagandistische Bildprogramme schaffen. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern wie beispielsweise Deutschland anerkennt die französische Kunstkritik die Militärmalerei als bedeutsamen Zweig der Kunst und sie wird vom Publikum in den Pariser Salons geschätzt. Mit der allgemeinen künstlerischen Vorbildfunktion ist Frankreich insbesondere in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wesentlich an der Entwicklung der Militärmalerei in Europa beteiligt und französische Maler prägen mit ikonografischen Vorgaben damalige wie nachfolgende Künstlergenerationen.

Karoliina Elmer

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