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Christine Streuli, Ohne Titel, 2002
Acryl und Öl auf Baumwolle, 172 x 142 cm, Gemälde

Christine Streuli (*1975) ist für ihre grossformatigen Gemälde und raumgreifenden malerischen Installationen bekannt, in denen sich barocke Opulenz und poppige Farbigkeit durchdringen. Kaleidoskopartig ordnet die Künstlerin in ihren Werken Formen und Farben an, schichtet Flächen übereinander und lässt die abstrakten Gebilde mitunter in den Ausstellungsraum vorstossen, wo sie ganze Wände und manchmal sogar den Fussboden besetzen. Streulis künstlerische Praxis als Malerei zu bezeichnen, erscheint jedoch beinahe verfehlt angesichts der Tatsache, dass dabei selten ein Pinsel zum Einsatz kommt. Stattdessen bevorzugt die Künstlerin handwerkliche Vervielfältigungstechniken wie Handdruck, Abklatsch oder Schablone, die den Werken einen stark formalisierten Ausdruck verleihen. Linie, Fläche, Punkt und Raster sind dabei die bestimmenden Gestaltungselemente – Symmetrie, Spiegelung und Repetition die präferierten Kompositionsprinzipien. Schicht um Schicht werden die Bilder zu dichten, ornamentalen Geweben aufgebaut, die stets zwischen Abstraktion und Repräsentation oszillieren und dabei immer die elementare Frage nach dem Zusammenspiel von Farbe und Form erproben, wobei auch das Disparate und Sperrige seinen Platz hat.

Obschon „Ohne Titel“ – ein frühes Werk, kurz nach Streulis Ausbildung entstanden – angesichts der späteren Arbeiten verhaltener und formal weniger komplex daherkommt, sind darin bereits die wesentlichen Konstanten angelegt, die das Schaffen der folgenden Jahre prägen; allen voran die lustvolle Experimentierfreude im Umgang mit unterschiedlichen mehr oder weniger malerischen Techniken, mit industriellen Farben und selbst hergestellten Schablonen. Was wir sehen, ist Malerei in unterschiedlichsten Facetten, eine jede davon prägnant von den anderen abgesetzt durch die Verwendung mehrerer Bildebenen. Obwohl vermeintlich gegenständliche Elemente auszumachen sind – etwa eine quer über das Bildfeld gehängte Girlande aus geflossenen Farbspuren –, erweist sich der Versuch einer solchen Beschreibung als unzulänglich. Auch der Werktitel, der als integraler Bestandteil aller späteren Werke jeweils einen zusätzlichen inhaltlichen Bezug eröffnet, bietet keine Hilfestellung. Was stattdessen erkennbar bleibt und präzise benannt werden kann, ist die Machart des Werks, anhand der sich verschiedenste Referenzen auf die Malereigeschichte auftun: Die Allover-Struktur des camouflageartigen Untergrunds lässt etwa an den Abstrakten Expressionismus denken, während die Farbspuren in leuchtendem Pink und Türkisblau Reminiszenzen an Action Painting oder auch die Pour Paintings von John M. Armleder (*1948) aufweisen. In den mithilfe von Schablonen gesprayten Kreisen im Vordergrund wiederum werden Anklänge an das Verfahren des Graffiti erkennbar. Diesen so disparaten bildnerischen Techniken ist gemein, dass sie eine schnelle, bewegliche und unmittelbare Arbeitsweise erlauben. Die Verführung der Betrachtenden geschieht auf der Ebene der physisch greifbaren Materialität, der suggestiven Strahlkraft der Farben und des einnehmenden Formats. In diesem Sinn führt Streuli mit ihren Werken die wiederholt totgesagte Tradition der Malerei weiter und fügt ihr neue Bilder hinzu, die durch ihren positiv konnotierten Eklektizismus dazu anregen, ihnen unvoreingenommen zu begegnen und bestehende Kategorien und Begriffe ausser Acht zu lassen.

Raphaela Reinmann, 2018

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