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Agnes Fuchs, Expedition Antarktis I, 2000
Öl auf Papier grundiert, 22 x 30.5 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau / Depositum der Sammlung Andreas Züst
Copyright: ProLitteris, Zürich

Als Dauerleihgabe darf das Aargauer Kunsthaus 2004 die Kunstsammlung des vielseitig interessierten Zürcher Naturwissenschaftlers, Verlegers und Künstlerfotografen Andreas Züst (1947–2000) übernehmen. Mit dem umfangreichen Korpus gelangen auch etliche Werke zum Thema Polarreisen ins Haus, die Züsts berufliche Anfänge als Glaziologe und Klimaforscher in Kanada, Grönland und in den Alpen von 1973 bis 1980 spiegeln. Zusammen mit zahlreichen Buchpreziosen, einigen Schiffsskulpturen und einem echtem Narwalzahn bilden sie ein inspirierendes Kunst- und Wissenschaftskabinett.

Zu diesem abenteuerlichen Archipel gehört auch eine Fünfergruppe kleinformatiger Malereien aus dem 18 teiligen Zyklus Expedition Antarktis der Wiener Künstlerin Agnes Fuchs (*1965). Fast alle der rasch und mit grobem Pinselstrich erfassten Bilder präsentieren Szenen im Freien. Bei einigen fällt der Blick durch das Rigg oder über die Reling eines Schiffes auf Eisschollen und Packeis. Auf anderen sind Menschen zu sehen, die in dicker, wetterfester Kleidung zu Land oder an Bord verschiedene Handlungen vollziehen. Sehhilfen, optische Apparate und Messgeräte lassen erahnen, was im Einzelnen vor sich geht. Fahles Licht und neblige Konturen setzen den Deutungen aber Grenzen. Welterforschung und Welterzeugung – als subjektives Aufrufen medial vermittelter und kollektiv verinnerlichter Bilder – fallen hier in eins.

Entnommen hat Agnes Fuchs die Motive einem 1963 in Prag erschienenen Dokumentarband über die Beteiligung von Tschechen an der dritten, vierten und fünften sowjetischen Antarktis-Mission in den Jahren 1957 bis 1961. Das reich illustrierte, von Josef Vávra herausgegebene Buch mit dem Titel Naši v Antarktidě (Die Unseren in der Antarktis) gibt Einblick in die Aufenthalte des Astronomen Antonín Mrkos, des Journalisten Stanislav Bártl, des Meteorologen Oldřich Kostka und des Geophysikers Oldřich Praus. Agnes Fuchs interessiert sich aber nicht so sehr für die Leistungen und Schicksale dieser Männer. Ihr Fokus liegt auf den wissenschaftlichen Dispositiven sowie darauf, wie sich ihr Gebrauch in Bilder überträgt. Angesichts dieser erklärterweise medienreflexiven Praxis stützt sie sich daher kaum zufällig auf Bildmaterial der 1960er-Jahre, als neue oder verbesserte Technologien der Forschung wie auch der Kommunikation neue Sphären eröffnen. Ebenso wenig greift sie nur zufällig eine Quelle auf, die weder heroisierend noch ikonisch daherkommt, sondern den Forscheralltag in seiner spröden Normalität und gerade deshalb akkurat beschreibt. Format und Materialität der Buchvorlage beibehaltend, transponiert sie eine Auswahl der in dem Band zusammengestellten fotografisch eingefangenen Eindrücke in Malerei. Einige Motive kehren dabei mehrfach wieder, was dem naturwissenschaftlichen Grundprinzip konstanter Beobachtung entspricht. Diesem steht die summarische Ausführung entgegen. Agnes Fuchs betont mit ihr den Medienwechsel und unterstreicht damit die Metafunktion, die sie der Malerei in ihrer künstlerischen Beobachtung der Datenerhebungssysteme und -prozesse beimisst. Das Beispiel Polarforschung erweist sich dabei als besonders interessant, da ihr Gegenstand sich dem blossem Auge vielfach entzieht. Im Ansatz ist in Expedition Antarktis somit bereits enthalten, was die Künstlerin in jüngeren Werken angesichts der Ablösung analoger durch digitale Verfahren anhand von Einblicken in Laboratorien, Schalttafeln und ähnlichen Metabildern an Technologiekritik formuliert.

Astrid Näff, 2024

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