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Valentin Hauri, Victoria Park I, 1994
Öl auf Leinwand, 61 x 46 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau
Copyright: Valentin Hauri
Fotocredit: Jörg Müller

Victoria Park heisst einer der populärsten öffentlichen Parks in London. Ebenso betitelt Valentin Hauri (*1954) zwei seiner Werke, die abstrakte Bilder wiedergeben. Die hochformatigen Leinwände sind grossflächig mit weisser Farbe bedeckt. Unter oder über dieser Malschicht tauchen andersfarbige, unregelmässig konturierte Streifen auf, die gestenhaft in unterschiedliche Richtungen verlaufen. Die sichtbare Materialität betont die Objekthaftigkeit der Gemälde, verdeckt und offenbart Zugrundeliegendes zugleich – buchstäblich wie im übertragenen Sinn. Der Titel lenkt den Rezipienten auf die Frage nach Bezügen zur wahrgenommenen Welt und eigenen Assoziationen. Blicken wir aus der Vogelperspektive auf den Victoria Park, wobei wir zwischen Naturzonen und Strassenverläufen differenzieren? Befinden wir uns mitten im Park mit Sicht auf einen See oder die wuchernde Vegetation, welche den Horizont verbirgt und sich in einem abstrakten Eindruck auflöst? Oder definiert der Victoria Park als Ort, Idee oder Erinnerung schlicht den Ursprung des Werkprozesses?

Hauri bekundet 2012, seine künstlerische Arbeit werde durch seinen eigenen Hintergrund, seine „Bestimmung“ entfacht, was wiederum in Verbindung stehe mit gesellschaftlichen Bewegungen. Noch mit dem Vollendungsjahr der beiden Gemälde geht ein geografischer und konzeptueller Wandel in Hauris künstlerischem Werdegang einher: Vom 15. Februar 1994 bis 31. Januar 1995 verbringt er einen Atelieraufenthalt – ein Stipendium der Landis & Gyr Stiftung – in der britischen Kapitale. Indessen kauft das Aargauer Kunsthaus „Victoria Park I / Victoria Park II“ aus der Präsentation vom 27. Mai bis 8. Juli 1994 im Aarauer Rathaus für seine Sammlung auf. Das Kunsthaus würdigt Hauri erstmals umfassend 1989 in der Ausstellung „Höhe x Breite x Farbe“. Während die Malerei in der Geschichte der Kunst und Kunsttheorie nach 1900 schon mehrere Male totgesagt wurde, gehört Hauri zu den Kunstschaffenden, welche deren fortwährende, auch zeitgenössische Bedeutung aufzeigen. Sein Werk erinnert zunächst an die Malerei der 1950er-Jahre sowie an die vorangehende Selbstreflexionsgeschichte des Mediums. Schon früh entwickelt er einen besonderen Sinn für die Kongenialität von Konzeption und Erscheinung desselben. Die maltechnische Fertigkeit per se bleibt ein wichtiges Element seines Schaffens. Hauri entscheidet in London, nicht länger Impasto-, sondern nunmehr Alla-Prima-Technik anzuwenden. Zudem schränkt er sich ein auf fünf Bildformate im Verhältnis 10:9, welches er bei englischen Porträtmalern ausmacht. Ob ein einzelnes Bild gelingt, ist laut Hauri trotz technischen Könnens und Erfahrung nicht prophezeibar: Das Bild könne gefunden, aber nicht hergestellt werden. Nach der Rückkehr aus London konsolidiert sich das veränderte Verständnis der Gestaltungsweise wie deren Bindung an ein vorbestimmtes konzeptuelles Gerüst.

„Victoria Park I“ und „Victoria Park II“ entstehen am Übergang zu dieser strategischen Reform, womit Hauri eine eigenwillige Konzeption der individuellen Bildfindung gelingt. Er lotet schon früher im Wirkbereich aufgekeimte Aspekte aus. Das Erforschen der Verhältnisse von Gegebenem und seiner Wahrnehmung, Narration und Geschehnis, Regeln und Rätseln, Referenziellem und Abstraktem, Privatem und Kollektivem zollt der Ambiguität und Autoreflexivität als seit den 1960er-Jahren radikalisierten Charakteristiken der Kunst Tribut.

Rahel Beyerle

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