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Ferdinand Hodler, La Romanichelle, 1910
Oil on canvas, 112 x 48 cm, Gemälde

Ferdinand Hodler (1853–1918) wandte sich um 1900 vom Realismus ab, der sein frühes Schaffen prägte, und begann damit, seine symbolistische Kunst zu entwickeln. Das Gemälde „La Romanichelle“, welches 2013 als Depositum in die Sammlung des Aargauer Kunsthauses gelangte, zählt zu einer Reihe von symbolistischen Figurendarstellungen, die in dieser Schaffensphase entstanden sind. Das Werk bildet eine wertvolle Erweiterung des Ferdinand-Hodler-Bestands im Aargauer Kunsthaus und liefert eine spannende Ergänzung zum Figurenbild „Die heilige Stunde“ (1910), das ebenfalls dem Symbolismus verpflichtet ist und als Legat von Dr. Othmar und Valerie Häuptli zur Sammlung des Aargauer Kunsthauses zählt.

„La Romanichelle“, zu Deutsch „die Zigeunerin“, zeigt eine den ganzen Bildraum einnehmende Frau in anmutiger Pose. In einer spiralförmigen Bewegung, die einem Gestaltungsprinzip der Renaissance entlehnt ist, neigt sie den Kopf mit einem in sich gekehrten Blick sanft zur Seite. Das ausschreitende linke Bein bildet hierzu einen spannungsvollen Kontrast, der durch die gleichförmig gebeugten Arme und die vor der Brust gefalteten Hände wiederum harmonisiert wird. Wie es für Hodlers symbolistische Figurenbilder charakteristisch ist, bewegt sich auch die „Romanichelle“ in einer abstrahierten Fantasielandschaft. Der Horizont ist hoch angesetzt, sodass die Figur nicht nur in der Natur eingebettet, sondern regelrecht von ihr umschlossen scheint. In dieser kompositorischen Gestaltung ist das Thema angesiedelt, das Ferdinand Hodlers gesamtes Schaffen prägt: das Aufgehen des Menschen in der Natur. Der Künstler war davon überzeugt, dass ein übergeordneter Geist den gesamten Kosmos durchdringt und beseelt. Seine «Idee der Einheit» schlägt sich in vielen Figurenbildern nieder und manifestiert sich in Menschen, die von der Natur ergriffen sind und in kontemplativen Gesten den Bezug zum Kosmos suchen. So stellt auch „La Romanichelle“ nicht etwa das reale Abbild von Giulia Leonardi dar, die für sämtliche Gemälde Ferdinand Hodlers Modell gestanden hat, sondern das Werk zeigt eine Allegorie des geistigen Aufgehens in der Natur. Als Trägerin eines ideellen Inhalts ist die Frau Symbol einer machtvollen Empfindung. Die expressive Farbgebung orientiert sich nicht an der realen Dingwelt und soll zur Verbildlichung der Emotion und somit zum Gehalt des Bildes beitragen. Insbesondere der Einsatz von Komplementärfarben im Bereich des Gesichtes und der Hände evoziert starke Kontraste und verdeutlicht Ferdinand Hodlers Stellung als wichtiger Wegbereiter des Expressionismus in der Schweiz.

Nicole Rampa

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