Öl auf grundiertem Karton,
Thomas Müllenbach ist 1949 in der deutschen Stadt Koblenz geboren. Nach ersten Studienjahren in Malerei und Bildhauerei an der Kunstakademie in Karlsruhe kommt er 1972 nach Zürich, wo er sich zum Restaurator ausbilden lässt und 1985 zum Mitbegründer der Kunsthalle Zürich wird. Von 1989 bis 2015 unterrichtet er als Professor an der Zürcher Hochschule für Gestaltung und Kunst.
Bereits während des Studiums setzt er sich mit der Ästhetik alltäglicher Dinge auseinander – zunächst über das Medium der Malerei, ab den 1990er-Jahren ebenso über die Zeichnung. Ein Atelierstipendium führt ihn 1979 nach New York und zwischenzeitlich entfernt er sich von seiner gegenständlichen Ausdrucksweise. Durch die amerikanische Strömung des „radical painting“ beeinflusst, verfolgt er zu der Zeit eine Malerei, die sich auf ihre eigenen Grundbedingungen, nämlich Farbe, Farbauftrag und Bildträger, konzentriert. Wenngleich er nach seiner Rückkehr in die Schweiz wieder vermehrt figurativ arbeitet, behält sich Müllenbach seinen material- und texturbezogenen Umgang mit Farbe und Fläche bei.
Die siebenteilige Arbeit „7-Tage im Krankenbett“, die 2018 vom Aargauer Kunsthaus angekauft und kurz darauf erstmals gezeigt wurde, ist eine pathosfreie Darstellung einer Alltagssituation. Auf den türkisfarben grundierten Kartons bildet jeweils ein leeres Krankenbett das Bildzentrum. Dessen Form wird von Blatt zu Blatt immer weiter abstrahiert. Rudimentär gepinselte Farbflächen, die das Zimmer umreissen, scheinen sich über die Bildstrecke hinweg sukzessive aufzulösen. In der letzten Ausführung ist der Boden gänzlich verschwunden, das Bettgestell kommt zum Schweben und von der weissen Rückwand bleibt am Ende ein einziges luftiges Wolkengebilde zurück.
Bereits in den 2000er-Jahren füllen Krankenzimmer und Operationssäle Müllenbachs grossformatige, freihändige Grafitzeichnungen. Analog zu Darstellungen von Flugzeugcockpits, Kernkraftwerken und Küchenausstattungen interessiert ihn vor allem die Herausforderung, technisch komplexe Räume und Apparaturen künstlerisch wiederzugeben. Die vorliegende Arbeitet beleuchtet das Motiv des Krankenbetts hingegen als Stellvertreter für ein menschlich existenzielles Thema. So verbirgt sich hinter dem Ausdünnen der Farbe und der fortschreitenden Reduktion der Linie die philosophische Auseinandersetzung des Künstlers mit dem Nichts; mit der zunehmenden Schwäche von Körper und Geist, wie sie kranke, bettlägerige Menschen bisweilen erfahren müssen. Demnach wirkt das schwebende Bett geradezu metaphorisch für das Übergehen in eine andere Sphäre – in den Schlaf oder sogar in den Tod. Die im Titel genannten „7 Tage“ unterstreichen diesen zeitlichen Prozess. Gemäss dem Künstler fungieren sie jedoch auch als ironische Anspielung auf die Behauptung, dass Katzen sieben Leben hätten. Mit dieser Dichotomie von Ernsthaftigkeit und Ironie spielt Müllenbach gerne; sie zeigt sich hier beispielhaft in dem über dem Krankenbett angebrachten Haltegriff, der zwar als Aufrichthilfe dient, jedoch – wie der Künstler zynisch bemerkt – auch an einen Galgen erinnern kann. Die mehrdeutige Auslegung seiner Werke ist Müllenbach wichtig, empfindet er doch „das Pathetische und Reine“ oftmals als „blutleer“. Vielschichtig ist wortwörtlich auch die Technik der vorliegenden Arbeit: Mit dem Farbauftrag in einzelnen Schichten orientiert sich der Künstler an der Ölmalerei früherer Jahrhunderte. Indem er sich für satte Farbtöne auf grüner Grundierung entscheidet, setzt er – wie einst die alten Meister – auf farbliche Tiefe und Plastizität. Wie so oft lässt er damit sein kunstgeschichtliches Wissen in seine Arbeit einfliessen.
Julia Schallberger