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Franziska Furter, Shades VIII, 2006
Emaille auf Papier, 100 x 140 cm, Arbeit auf Papier
Aargauer Kunsthaus Aarau

Die bevorzugte Arbeitstechnik von Franziska Furter (*1972) ist die Zeichnung, wobei die Künstlerin das Medium in verschiedene Richtungen erweitert und mit zeichnerischen Techniken und Bildträgern experimentiert. In ihren Anfängen arbeitete sie mit Graphit und versuchte sich seither an Gummi, Aquarell, Tusche oder Emaille. Dabei arbeitet die Künstlerin nicht nur auf Papier, sondern auch direkt auf die Wand. In den letzten Jahren entstanden teils auch dreidimensionale Arbeiten, wobei diese durchaus als Zeichnungen im Raum gelesen werden können. „Monstera“ beispielsweise sind aus schwarzem Papier geschnittene Pflanzen, die wie ein Mobile dreidimensional im Raum hängen und eine überraschende Weiterentwicklung des flachen, zeichnerischen Werks darstellen. Die Inbesitznahme des Raumes gelingt der Künstlerin aber auch durch die teils monumentalen Dimensionen ihrer Zeichnungen. Bildräume, die sich bis zu fünf Metern ausdehnen, scheinen die Betrachtenden physisch fast in sich aufzunehmen. Geradezu zurückhaltend dagegen verhält sich das Werk in der Farbgebung: die Bilder basieren grösstenteils auf einem schlichten Schwarz-Weiss-Kontrast.

Das Landschaftliche im weitesten Sinne ist das zentrale Motiv von Franziska Furters Arbeit. Neben einigen Arbeiten, die sich auf die Ästhetik des japanischen Comics oder auf Science Fiction Illustrationen beziehen, begegnen wir einer Vielfalt von Landschaftsmotiven. Das Spektrum reicht von der Detailansicht – wie dem Bild einer einzelnen Pflanze – bis zu ausgreifenden Prospekten. Diese Zeichnungen schliessen Bilder der Erde wie auch des Himmels ein, wie die zwei vorliegenden Arbeiten illustrieren: „gone again“ ist eine Landschaft mit Wiesen und Bäumen, „shades VIII“ zeigt den Blick auf Himmelskonstellationen.

„Shades VIII“ ist, wie die Nummerierung zeigt, das achte Bild einer 2005 begonnenen Reihe von Zeichnungen mit Himmelskonstellationen. Ausgangsmaterial sind digitale Bilder, die von Satellitenteleskopen aufgenommen wurden. Die Darstellungen entsprechen somit nicht der Sicht von der Erde aus, sondern repräsentieren den Blick von einem Punkt im Weltall auf den Kosmos. Diese zu Forschungszwecken entstandenen und nach einem gewissen Zufallsprinzip aufgenommenen Bilder hat Franziska Furter eingescannt, bearbeitet, vergrössert und dann schlussendlich am Leuchtpult aufs Papier übertragen. Dabei tauscht die Künstlerin Schwarz und Weiss gegeneinander aus, wodurch sich die Gestirne als dunkle Elemente vor einem hellen Hintergrund abzeichnen. Die Nacht wird zum Tag, die leuchtenden Himmelskörper zu schwarzen Löchern. Die Umkehrung öffnet den Weg aber auch auf eine gegensätzliche, abstrakte Lesart des Bildes. Die Zeichnung wird zur ungegenständlichen Komposition aus dunklen Flecken und Spritzern, zufällige Resultate eines expressiven künstlerischen Aktes, vergleichbar mit den in den 1940er-Jahren von Jackson Pollock eingeführten Drip Paintings.

Im Wissen um die Leichtigkeit, mit der Bilder bearbeitet, verändert und tendenziös beschnitten werden können, haben wir das vorbehaltlose Vertrauen in die Bilder längst verloren. Franziska Furters Bildrecherche scheint aber nicht mit dieser Thematik verknüpf zu sein. Vielmehr interessiert sie sich für die Bedeutung einer spezifischen Bildästhetik und die technische Wiedergabe von Bildern. Sie macht ihre eigene Technik der Bildverwertung und -verwandlung sichtbar, indem sie Rasterstrukturen, die bei der Vergrösserung von gedruckten Bildern entstehen, als ästhetisches Element nutzt. Die Detailtreue im Vordergrund ihrer Arbeit „gone again“ – der Baum, welcher fast bis ins letzte Blatt gezeichnet wurde – kontrastiert mit dem Hintergrund, wo sich das Motiv bis zur Unkenntlichkeit auflöst. Verschiedene Darstellungsmodi begegnen sich in ein und demselben Bild. Treffend formuliert es Eva Scharrer, wenn sie Franziska Furters Zeichnungen weniger als Erfindung denn als Übersetzung definiert.

Inhaltlich lässt sich Franziska Furters künstlerischer Ansatz zu einer aktuellen Hinwendung zur Romantik in Bezug setzen. Die neue Romantik einer jungen Künstlergeneration ästhetisiert ausseralltägliche Erfahrungen fern der gesellschaftlichen Aktualität. Wie bei Franziska Furter dient dabei meist die Landschaft als Anschauungsraum, in dem Gefühle von Unermesslichkeit, von zerstörerischer Urgewalt oder beschwörender Schönheit verortet werden. Dies manifestiert sich auf ganz unterschiedliche Weise etwa bei Künstlern wie Christopher Orr (*1967), Ugo Rondinone (*1964) oder Peter Doig (*1959). Zeittypisch ist auch, dass die Naturdarstellungen nicht wie in der historischen Romantik des 19. Jahrhunderts auf dem Naturerlebnis basieren, sondern dass die Medien den ästhetischen Stoff liefern und als Referenzmaterial dienen.

Franziska Furter ist mir ihrer Arbeit an den Jahresausstellungen der Aargauer Künstler/innen mehrfach positiv aufgefallen und hat 2007 den Förderpreis der Neuen Aargauer Bank gewonnen. Durch den Ankauf von „gone again“ und „shades VIII“ ist diese wichtige junge Position nun auch in der Sammlung des Aargauer Kunsthauses vertreten.

Madeleine Schuppli

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