Glas (145 Flaschen aus mundgebalsenem Glas), 31 x 183 x 189 cm
Valentin Carron (*1977) arbeitet mit starken Bildern. Ein Objekt in der symbolträchtigen Form eines Kreuzes („Du silence frais et sonore“, 2008) befindet sich bereits in der Sammlung des Aargauer Kunsthauses. Mit „Bottle Man (Blithely)“ (2017) kann die Position dieses wichtigen Westschweizer Künstlers mit einer zweiten, nicht minder markanten räumlichen Arbeit gestärkt werden.
Carron, der 2013 die Schweiz an der Biennale in Venedig vertrat, feierte mit seinen Plastiken und Installationen schon in jungen Jahren internationale Erfolge. Der Bildschatz, aus dem sich die Arbeiten speisen, ist demgegenüber häufig lokal geprägt. Der in Martigny im Wallis geborene und noch immer dort lebende Künstler rekurriert bevorzugt auf Objekte, die ihn im Alltag umgeben und transferiert sie im Zeichen von Appropriation und Replik in den Ausstellungsraum. Die spezifische Leistung Carrons liegt dabei darin, das Alltägliche, Altertümliche oder auch Banale ebenso wie das Symbolstarke und Mächtige in allgemein lesbare Formen zu bringen, die es erlauben, unser Verhältnis zum Ausgangsobjekt lustvoll zu hinterfragen.
Bekannte Bilder und zahlreiche Assoziationen ruft auch die Arbeit „Bottle Man (Blithely) hervor. Dabei ist die bildliche Setzung denkbar simpel: Auf dem Boden formen insgesamt 145 „grüne, braune und weisse Flaschen unterschiedlicher Grösse die Umrisse einer menschlichen Figur, welche Arme und Beine von sich streckt. Jede einzelne Flasche wurde eigens von einem Glasbläser gefertigt, wobei Bierbuddeln der Marken Heineken, Corona und Super-Bock sowie einzelne Jägermeister-, Wodka- und Weinflaschen Modell standen. Die motivischen Vorlagen für die Arbeit hat Carron im Internet aufgespürt – Bilder indes, die überall herstammen könnten, aus der eigenen Jugend oder vom Heimweg nach einer langen Nacht. Sie zeigen Schnapsleichen, die von ihren Zechkumpanen mit leergetrunkenen Flaschen umstellt und fotografiert worden sind. Die Referenz zu kriminalpolizeilichen Tatortmarkierungen ist nicht von ungefähr und dies nicht nur, weil von Alkoholleichen die Rede ist (ein eher schlechter Witz, der online aber durchaus Potenzial hat, zur Attraktion zu werden).
Diese Bilder jugendlichen Imponiergehabes zu appropriieren, heisst für Carron nicht, sie „einfach“ zu reproduzieren oder die Figur mit leeren Flaschen besagter Marken nachzustellen, wie dies der italienische Künstler Maurizio Cattelan (*1960) getan hat, als er sich – mit obligatem Augenzwinkern – vom Porträtfotografen Juergen Frank auf dem Dach eines New Yorker Wohnhauses ablichten liess. Carron hat die Flaschen in einem aufwändigen Verfahren vielmehr neu herstellen lassen. Handwerkskunst statt Altglas – und zwar mit einer Ernsthaftigkeit, die zugleich leicht und humorvoll daherkommt. Drei Ausführungen des Flaschenmanns gibt es: „munter“ (Blithely) ist jener in Aarau, ein anderer „freundlich“ (Suavely) und der dritte „schräg“ (Diagonally).
Yasmin Afschar