Pastellkreide auf Baumwolle auf Karton, 18.3 x 41 cm
Die kleine, aber kostbare Werkgruppe Paul Klees (1879–1940) in der Sammlung des Aargauer Kunsthauses stammt einerseits aus einer Schenkung der Vereinigung der Freunde der Aargauischen Kunstsammlung und andererseits aus dem Besitz von Dr. Othmar und Valerie Häuptli, die dieser Vereinigung ebenfalls angehören. Alle Arbeiten – mit einer Ausnahme – lassen sich dem Spätwerk des Künstlers zuschreiben. Klee gehört zu den grossen Kunstschaffenden der klassischen Moderne. Sein technisch, formal, inhaltlich und ikonografisch vielfältiges Œuvre verweigert sich einer bestimmten Stilrichtung und entfaltet seine prägende Kraft bis in die Gegenwart.
Klees späte Arbeit ist nicht wie bei anderen Malern als künstlerische Vervollkommnung des Lebenswerkes zu bezeichnen, sondern unterscheidet sich durch einen tief greifenden Stilwandel in hohem Masse von vorher Geschaffenem. Klee wächst in Bern auf und absolviert sein Malereistudium in München. Aufgrund seiner Professuren am Bauhaus in Weimar und Dessau sowie an der Düsseldorfer Kunstakademie verbringt er den grössten Teil seines Lebens in Deutschland. Als „entarteter“ Künstler sieht sich Klee 1933 gezwungen, nach Bern zurückzukehren. Die Emigration, die daraus resultierende Isolation und der Ausbruch einer schwerwiegenden Bindegewebskrankheit stürzen Klee in eine Krise, die er aber zu überwinden und als Wendepunkt zu seinem letzten künstlerischen Höhepunkt zu nutzen weiss.
Mit „Der Dampfer in der Bucht“ erschafft Klee eine Komposition von grosser Ruhe und Klarheit. Während eines Erholungsaufenthaltes in Ascona beginnt Klee intensiver mit Pastellkreide zu arbeiten und malt 1937 eine Gruppe von kleineren und grösseren Gemälden auf Baumwolle. Das vorliegende Blatt nimmt mit seiner auf wenige Farbflächen reduzierten einfachen Komposition eine Sonderstellung im Spätwerk ein. Es zeigt einen See, eingebettet in eine sommerliche Landschaft, der von einem Dampfer überquert wird. Das Meer und seine Küstenlandschaft, die Unterwasserwelt und Boote sind bedeutende Motive in Klees Ikonografie. Die Reise zu Schiff wird als Metapher des künstlerischen Aufbruchs und der menschlichen Existenz gelesen. Wie viele andere seiner Arbeiten gestaltet Klee das Bild nach seiner Fertigstellung mit der Schere weiter: „Manches vollendete ich zum Schluss kompositorisch nach dem pseudo-impressionistischen Grundsatz ‚was mir nicht passt, schneide ich mit der Schere weg.'“ Die Beschneidung am oberen und linken Bildrand betont das Querformat, und die einfache Darstellung gewinnt dadurch an Spannung.
Karoliina Elmer