Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualiseren Sie auf Edge, Chrome, Firefox.
X
François-Louis-David Bocion, Der Sohn des Künstlers,
Öl auf Holz, 49.5 x 31.3 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau / Depositum Sammlung Werner Coninx

François Bocion (1828–1890) entstammte einer Familie von wohlhabenden Lausanner (Kunst-)Handwerkern und Kleinunternehmern. Seinen ersten Zeichenunterricht erhielt er bei Christian Gottlieb Steinlen (1779–1847) und bei François Bonnet (1811–1894). Ab Oktober 1845 setzte er seine Ausbildung in Paris fort. Er studierte zuerst bei Louis Aimé Grosclaude (1784–1869), der aus Le Locle stammte, und danach bei Charles Gleyre (1806–1874), wie Bocion ein Waadtländer und seinerzeit einer der erfolgreichsten Maler in Paris. 1848, im Alter von 20 Jahren, beteiligte sich Bocion zum ersten Mal an einer Ausstellung und im Jahr darauf erhielt er eine Stelle als Zeichenlehrer an der Ecole moyenne et industrielle von Lausanne. 1889 wurde er in die Eidgenössische Kunstkommission gewählt. Bocion ist heute vor allem als Maler des Genfersees bekannt, einige der Uferlandschaften, denen er seinen Ruf als Vorläufer des Impressionismus verdankt, sind jedoch in Venedig oder San Remo entstanden. Im Zentrum seines Interesses stand meist die Weite des offenen Raums und der ewige Wechsel von Licht und Witterung im Spiegel der Wasserfläche. Der Mensch ist in diesen Bildern häufig blosse Staffage; eine Figur, die untätig am Ufer sitzt oder über den Strand flaniert, manchmal auch nur eine undeutliche Silhouette, die in einem Boot vorübergleitet. Stilistisch knüpfte Bocion mit seinen Landschaften beim Paysage intime und der Freilichtmalerei von Camille Corot (1796–1895) an, dessen Kunst er – wie viele andere Genfer Maler auch – durch Barthélemy Menn (1815–1893) kennengelernt hatte. Neben den atmosphärischen, scheinbar mit grosser Leichtigkeit gemalten Stimmungsbildern schuf Bocion auch durchkomponierte Genreszenen, deren mehrere Figuren im Einzelnen sorgfältig ausgeführt und im Gesamten wohlüberlegt zueinander in Beziehung gesetzt wurden. Dieselbe handwerkliche Sorgfalt kennzeichnet auch die wenigen Porträts, die von Bocion bekannt sind.

Leider ist nicht bekannt, wann „Der Sohn des Künstlers“ entstanden ist. Der klare Aufbau der Komposition, das Gerüst der schlichten Umrisszeichnung mit dem ruhigen Verlauf ihrer Konturen, die Zurückhaltung im Kolorit und die feine Modellierung des Gesichts lassen eher auf das Frühwerk des Künstlers schliessen. Der Dargestellte, eines der neun Kinder von François Bocion und seiner Frau Anna Barbara Furrer, lehnt in entspannter Haltung an einem Ruderboot. Seine Gesichtszüge sind zwar noch sehr kindlich, doch die in die Hosentaschen gesteckten Hände und ein ungezwungen über die Schulter gewandter Blick zeigen ihn wie einen jungen Mann. Der Schwebezustand zwischen Kindheit und Erwachsenenalter wird durch den Matrosenanzug des Porträtierten noch unterstrichen. Denn dieses frühe Zeugnis einer eigens für die Jugend entworfenen Mode, die um 1840 aufkam, gaukelte auch den Kindern vor, sie hätten – wie die Erwachsenen – in Beruf und Gesellschaft eine Funktion mit eigenen Pflichten und eigenem Ansehen. Ergänzt wird das Bild vom jungen Seemann durch das Modell eines Segelboots, das neben ihm am Strand liegt. Aber auch wenn das kleine Schifflein über alle Ausstattungsmerkmale eines echten Wasserfahrzeugs verfügt und sogar fast gleich gross erscheint, wie die beiden dahinter am Strand liegenden Boote, zeigt doch der gleich nebendran liegende typische Strohhut eines Ausflüglers, dass vorderhand alles noch ein Spiel ist.

Hans-Peter Wittwer

X