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Lucie Schenker, Rotation grün, 1997
Drahtgewebe verzinkt, einseitig gespritzt, variabel, Boden bis Decke, Plastik/Skulptur

In der grossen Übersichtsschau zur Schweizer Skulptur, die das Aargauer Kunsthaus 2021 zeigte, war Lucie Schenker (*1943) gleich mehrfach vertreten: mit einem ihrer Garnspulenobjekte aus der Werkreihe der Schnitte, einer gewickelten Metallfadenplastik sowie einer Neuinterpretation ihrer Arbeit „Rotation grün“ (1997). Letztere – eine zur Decke geführte und so in Bezug zum Raum gebrachte Drahtgeflechtbahn – erhielt das Kunsthaus nach Ende der Ausstellung von der Künstlerin geschenkt. Die genannten Werke verbindet, dass sie alle im Grunde textiler Natur sind, aber in festerer Form. Metalldraht spielt dabei eine wichtige Rolle und zieht sich als sprichwörtlicher roter Faden auch durch Schenkers gesamtes plastisches Schaffen. Sind die Drähte anfangs gestrickt und später aufwändig von Hand gebogen und komprimiert, so beginnen ab 1996 industrielle Metallgeflechte zu dominieren. Diese sind steif und gleichzeitig biegsam, gut zu verarbeiten und als Meterware günstig erhältlich. Zudem sind sie auch ästhetisch interessant, denn aufgerollt wirken sie solide und objekthaft, abgewickelt vermitteln sie Leichtigkeit und Transparenz.

Als gelernte Textilentwerferin, die erst für die Industrie und dann als Dozentin für textiles Gestalten tätig war, weiss Schenker diese Eigenschaften gezielt zu nutzen. Die kompakten Volumina aus handverdichtetem Filament, mit denen sie – teils kombiniert mit noch härteren Materialien wie Holz und Stahl – das Verhältnis von Masse und Umraum erkundet hat, lässt sie zugunsten einer neuen Durchlässigkeit hinter sich. Neben kubische treten zylindrische, später auch ondulierende Formen, was zum Thema der Bewegung führt. Zugleich kommt das Thema der Farbigkeit auf, wofür die Künstlerin ihr bislang primär über die Wahl von beispielsweise Eisen-, Chromstahl-, Messing- oder Kupferdraht gesteuertes Farbschema erneuert. Sie beginnt die Drahtgeflechte zu personalisieren, indem sie sie einseitig farbig spritzen lässt, was auch neue formale Optionen schafft. Zum einen lassen sich verschieden gefärbte Rollen kombinieren. Zum andern ergibt sich die Möglichkeit, die per se monochromen Texturen im Zusammenspiel mit ihrer ungespritzen Seite zu beleben und zu nuancieren. Besonders schön zeigt sich dies bei „Rotation grün“, wo der abgewickelte Teil der Rolle eine langgezogene Spirale beschreibt, deren Vorder- und Rückseite sich in wechselnder Intensität überlagern. Die Schwere des Materials scheint aufgehoben. Struktur und Farbe ergänzen sich in minimalistischer Eleganz.

Geschaffen hat Lucie Schenker „Rotation grün“ ursprünglich als Kunst-am-Bau-Projekt für die Berufsschule Kreuzlingen (heute Bildungszentrum für Bau und Mode). Dort verband das Werk nicht nur Boden und Decke, sondern erstreckte sich im halbrunden Treppenhaus vor der Bibliothek über zwei Geschosse. Als der originale Standort umbaubedingt aufgegeben werden musste, wurde das Werk abgebaut, eingelagert und letztlich an die Künstlerin retourniert. Im Aargauer Kunsthaus hat es nun ein neues öffentliches Umfeld gefunden.

Astrid Näff, 2022

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