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Rosina Kuhn, Esalen, 2016
Öl auf Leinwand, insgesamt 240 x 360 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau
Copyright: Rosina Kuhn, Zürich
Fotocredit: Rosina Kuhn

Ein Moment von Serendipity, glücklichem Finden, prägt die Entstehung des dreiteiligen Grossformats „Esalen“ (2016) der Zürcher Malerin Rosina Kuhn (*1940). Nach längerem Ringen mit einem zunächst ganz anderen Motiv – einem Park mit Fischteich im Gegenlicht, fotografiert in Norditalien – beschloss die Künstlerin, dieses zu übermalen. Die offene Mitte verdichtete sie zu einem vielschichtigen, kaum fassbaren Farbverlauf zwischen schimmerndem Silberblau und Gelbgrün. Andernorts legte sie Grün über Rot und Violett, das sich – teils Fels, teils Baum – zu atmenden Silhouetten verfestigte. Weitere gedeckte Töne fügten sich zu einer hohen Horizontlinie. Zusammen mit jähen Wechseln von Hell und Dunkel sorgten sie für räumliche Tiefe, und so mündete die Überarbeitung plötzlich in die Feststellung, die Landschaft wirke wie Big Sur, jener rauhe Abschnitt der kalifornischen Küste, wo bewaldete Steilklippen unvermittelt in die Weite und das Licht des Pazifiks übergehen.

Rosina Kuhn hat die Landschaften und Urbanräume Kaliforniens seit den späten 1990er-Jahren, als ihr Sohn nach Los Angeles zog und ebenfalls Künstler wurde, immer wieder gemalt. So entstanden etwa kleine Aquarelle des Sunset Boulevard (1999 – 2003), Monotypien mit Szenen aus Downtown L.A. (2003 – 2005) und schliesslich mehrere ausladende Panoramen der Stadt und naher Canyons (2007 – 2010). Zur dritten Gruppe liesse sich auch Esalen zählen, wenngleich mit wesentlichen Unterschieden. So verweist der Werktitel zwar auf die Gegend um Big Sur respektive auf das Esalen-Institut, das dort 1962, also zeitgleich zum Aufkommen der Hippie-Bewegung, unter dem Eindruck eines Vortrags von Aldous Huxley von Verfechtern des Human Potential Movement gegründet worden ist. Dennoch handelt es sich, wie eingangs beschrieben, nicht um ein Abbild, obschon die Künstlerin den Ort, der als Stätte gelebter Gegenkultur bis heute besteht, im Rahmen von Workshops besucht hat und somit aus eigener Anschauung kennt. Die Autonomie des Malprozesses ist hier stärker, und mehr als andere Werke tendiert Esalen zur Abstraktion. Dazu trägt auch bei, dass das Bild dreiteilig ist – ein Umstand, der von Beginn weg gegeben war – und dass es mit Abständen gehängt werden soll. So werden zum einen die Bruch- und Fehlstellen betont. Zum andern tritt der Triptychon-Charakter des Bildes deutlicher in Erscheinung und damit auch seine fast schon sakrale Ruhe und Feierlichkeit. Mit den ganzheitlichen Praktiken, die in Esalen nach dem Leitsatz „religion of no religion“ gelehrt werden, passt das gut zusammen. Auch der Ansatz, alles in Flächen aufzulösen und mit schattigen Zonen im Vordergrund Tiefe zu erzeugen, wie dies speziell im japanischen Farbholzschnitt üblich ist, bringt Ruhe mit ein. Diese fernöstliche Seite verbindet Esalen denn auch mit seinen nächstverwandten Bildern, den beiden zeitgleich entstandenen, sehr fliessend gemalten Diptychen Am Wasser (2015) und Kiefern am See (2016). Als eine Art Trilogie waren sie alle erstmals 2016 im Kunsthaus Grenchen zu sehen.

Astrid Näff

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