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Ernst Stückelberg, Les pins de St. Cassien, 1876
Öl auf Leinwand auf Karton aufgezogen, 32 x 40 cm, Gemälde
Aargauer Kunsthaus Aarau / Depositum der Gottfried Keller-Stiftung, Bundesamt für Kultur, Bern

Ernst Stückelberg (1831–1903) verschafft sich in der Schweizer Kunst in erster Linie als Historienmaler einen Namen, insbesondere als Schöpfer der Fresken in der Tellskapelle am Vierwaldstättersee erlangt er Bekanntheit. Stückelbergs Tätigkeit fällt in eine Zeit, in der das Nationalbewusstsein deutlich an Kraft gewinnt. Die Historienmalerei stellt sich zunehmend in den Dienst nationaler Gesinnung und erfährt materielle Förderung durch Aufträge seitens des Staates, der Künstlergesellschaften, der Kunstvereine und Privaten zur Verherrlichung der Schweizer Geschichte.

Stückelberg stammt aus einer kulturell aufgeschlossenen Basler Patrizierfamilie. Sein Onkel mütterlicherseits ist Melchior Berri (1801–1854), einer der talentiertesten Schweizer Architekten des Spätklassizismus, der seinerseits durch seine Gattin dem Verwandtenkreis des Kulturhistorikers Jacob Burckhardt (1818–1897) angehört. Erste künstlerische Unterweisung erhält Stückelberg bei den Basler Historienmalern Hieronymus Hess (1799–1850) und Ludwig Adam Kelterborn (1811–1878) sowie beim Solothurner Johann Friedrich Dietler (1804–1874), einem Schüler des bekannten Antoine-Jean Gros (1771–1835). Auf Empfehlung Burckhardts zieht Stückelberg 1850 in ein wichtiges Zentrum der damaligen Historienmalerei: Antwerpen. Dort unterrichtet ihn der Künstler Gustaaf Wappers (1803–1874), der die patriotischen Wünsche des jungen unabhängigen Staates Belgien zu befriedigen weiss. Zeitgleich mit Stückelberg ist auch Anselm Feuerbach (1829–1880) als Schüler in Wappers‘ Atelier tätig. Mit ihm freundet er sich an, und neben seinem Lehrer vermittelt ihm auch Feuerbach äusserst anregende Impulse. Stückelberg setzt sich intensiv mit der niederländischen Malerei auseinander; besonders von Rembrandts (1606–1669) pastoser Malweise ist er beeindruckt. Ab 1853 studiert er an der Kunstakademie in München – ebenfalls ein bedeutender Ort für die Geschichtsmalerei – bei Moritz von Schwind (1804–1871) und Wilhelm von Kaulbach (1805–1874). Er beendet 1856 die Ausbildungszeit. Nach Aufenthalten in Italien zieht der Künstler 1860 nach Zürich und lässt sich 1862 in Basel nieder.

Neben Werken mit historischen Motiven finden sich in Stückelbergs Œuvre auch Genredarstellungen, und er ist als Porträtist äusserst gefragt. Weniger bekannt ist Stückelberg hingegen als Landschaftsmaler. Vor allem in Italien hat er sich aber immer wieder Landschaftsstudien zugewendet und somit sein Repertoire für die Ausarbeitung grosser Kompositionen erweitert. Die Aufenthalte im Süden hinterlassen ihre Spuren; insbesondere die Erfahrung des stimmungsvollen Lichts schlägt sich in einer Aufhellung seiner Palette nieder. Die vorliegende Studie „Les pins de St. Cassien“ gelangt 1947 als Depositum der Gottfried Keller-Stiftung, Bundesamt für Kultur, Bern in die Sammlung des Aargauer Kunsthauses. Stückelberg fertigt sie im Winter 1875/76, als er mit seiner erkrankten Gattin mehrere Monate in Cannes weilt. In dieser Umgebung hält er den Natureindruck fest, der sich seinem Auge bietet: Über eine Grünfläche gleitet der Blick der Betrachtenden zu einer dunklen Baumgruppe in der linken Bildhälfte, hinter der sich ein Gebäude abzeichnet. Obwohl der Künstler den Ausschnitt nur skizzenhaft mit flinkem Pinselstrich wiedergibt, zeigt sich in der Studie seine sichere Beobachtungsgabe, und sie lässt sein malerisches Temperament deutlicher hervortreten als seine komponierten Gemälde.

Karoliina Elmer

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