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Alexandre Blanchet, Artist, Jeune romaine nu à mi-corps, 1909
Öl auf Leinwand, 100.5 x 81.5 cm
Aargauer Kunsthaus / Ankauf, 1910
Copyright: Jeanne Blanchet

Das Bild „Jeune romaine nu à mi-corps“ von Alexandre Blanchet (1882–1961) wird zunächst im Salon des Indépendants in Paris ausgestellt. Es handelt sich um eine Studie einer Badenden, wie sie als Figur in späteren Gruppendarstellungen Blanchets auftaucht. 1910 ist das Gemälde in der nationalen Kunstausstellung in Zürich zu sehen, woraufhin es schliesslich für die Sammlung des Aargauer Kunsthaus angekauft wird.

Beim Bild handelt es sich um den Halbakt einer römischen Frau. Der nackte Torso hebt sich plastisch und deutlich von dem diffus leeren Umraum ab. Die Körperformen sind kräftig und zugleich weich modelliert: warm einfallendes Licht und blau-graue Schatten schaffen sanfte Übergänge. Zeitlich fällt das Bild in Blanchets experimentelle Pariser Periode und spiegelt verschiedene Einflüsse wider: In Bezug auf die Haltung der Frau und das harmonische Austarieren der Körperproportionen entspricht die Figuren einem klassizistisch-historischen Schönheitsdeal und gehorch damit akademischen Kompositionsnormen. Die klaren Umrisslinien vor cremigem Hintergrund erinnern zudem an Ferdinand Hodlers (1853–1913) Linearismus. Hodler war denn auch das prägende Vorbild für Blanchets Frühwerk. Mit der Umsiedlung nach Paris um 1907 beginnt sich Blanchet für moderne Strömungen wie den Fauvismus und den Pointilismus zu interessieren, wodurch er sich für eine Lockerung der Formen und eine experimenteller Farbpalette öffnet. Daraus entwickelt er seine eigene Interpretation des Pointilismus („manière pastillé“). Erste Ansätze dieses leichten Pinselstrichs lassen sich in der fleckig tastenden Modellierung des vorliegenden Figurenbilds erkennen. Das vibrierende Erschaffen von Volumen – aus der Farbe, aus dem „Innern“ heraus – ist mitunter Blanchets intensiver Auseinandersetzung mit Paul Cézannes (1839 – 1906) Malerei geschuldet sein.

Um 1914 kehrt der Künstler nach Genf zurück. Hier ist er aufgewachsen und hat an der École des beaux-arts und der École des arts industriels sein Kunststudium absolviert. Mit der Rückkehr in die Schweiz wendet sich Blanchet zugunsten plastischer Werte langsam, doch stetig von der farbigen Vielteiligkeit ab. Die Formen werden zunehmend isolierter, glatter und münden schliesslich in einer fast kristallinen Klarheit. Von 1930 bis 1945 beginnt er selbst an der École des Beaux-Arts in Genf zu unterrichten und erhält immer häufiger Wandbildaufträge. Auch arbeitet er zeitweise als Dekorationsmaler, Entwerfer für Kostüme und schafft vereinzelte Plastiken.
Für die Schweizer Kunstgeschichte – insbesondere für die Westschweizer Kunstszene – ist Alexander Blanchet eine wichtige Position und wird zusammen mit René Auberjonois (1872 – 1957) und Maurice Barraud (1889 – 1954) zu den Erneuerern der Malerei in der französischen Schweiz anfangs des 20. Jahrhunderts gerechnet.

Julia Schallberger, 2025

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