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Hugo Suter, Malerei (Wolke), 2003
Geätztes Glas, Plexiglas, Holz und diverse Materialien, 191 x 252 x 58 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau
Copyright: Nachlass Hugo Suter
Fotocredit: Jörg Müller

Seit der Stilllebenmalerei des 17. Jahrhunderts, mit ihrer von vielen Malern bevorzugten Darstellung von Glas und Gläsern, spielt die Wiedergabe des transparenten und fragilen Materials eine ganz besondere Rolle in der Malerei. Das wertvolle Material war nicht nur schwer herstellbar, seine besonderen Qualitäten – einerseits durchsichtig, anderseits reflektierend – machten es auch zur Prüfung für den Maler, in der er seine Virtuosität unter Beweis stellen konnte; neben der Schwierigkeit der Darstellbarkeit des Materials bestand die zusätzliche Herausforderung in der Darstellung dessen, was sich im Glas mehr oder weniger verzerrt spiegelt: handle es sich um das Selbstbild des Malers oder um sein Atelier oder um die Gegenstände in der näheren oder ferneren Umgebung des Glases. Es waren nicht nur die darstellerischen Fähigkeiten des Malers gefordert, die besonderen Qualitäten des Materials konnten ihn auch zu virtuosen, reflektierten Spielereien im Abbilden verführen.

Kaum ein Künstler der Gegenwart hat sich wie Hugo Suter (1943–2013) so intensiv mit dem Werkstoff Glas auseinandergesetzt und all die verschiedenen Eigenschaften des Werkstoffs so intelligent reflektierend in sein bildnerisches Schaffen eingebaut – ohne indes, auch wenn er hin und wieder auch Glas bemalt, Glasmaler zu sein. Während beinahe zwei Jahrzehnten hat er an einem Paravent, bestehend aus 65 aneinander montierten Holzrahmen, gearbeitet, innerhalb derer er sich mit den verschiedensten Möglichkeiten und Techniken und mit dem zur Disposition stehenden Potential von Glas auseinandergesetzt hat: mit dessen Durchsichtigkeit ebenso wie dessen Reflexion und Spiegelung. Dieses ausufernde Hauptwerk, dessen Arbeit 1978 begonnen und 1995 aufgegeben wurde, enthält die verschiedensten Zugänge und Experimente von Suters Beschäftigung mit dem Glas: Es gehört heute, als Geschenk des Künstlers, der Sammlung des Aargauer Kunsthauses.

Seit mehreren Jahren arbeitet Hugo Suter an einer Reihe von vitrinenartigen Objekt-Kästen, die er als „Malerei“ bezeichnet, wobei dieser Gattungsbegriff jeweils in Klammer ergänzt wird um den Gegenstand, der durch das Glas und im Glas dem Betrachterauge als Bild erscheint: Es gibt die Landschaft, den Berg, das Stillleben, das Porträt, Rembrandts Selbstporträt, den Akt, aber auch, wie hier, die Wolke. Das Objekt präsentiert sich wie ein Bildkasten, darin und hinter einer geätzten Glasscheibe aufscheinend eine grosse Wolke, genauer: eine Erscheinung, die unser Auge als Wolke im Blau des Himmels liest. Wer um den Objekt-Kasten herumgeht, entdeckt zu seiner Überraschung im Innern des Kastens eine krude anmutende, aber höchst ausgetüftelte Material-Assemblage, u.a. ein Modell-Flugzeug, bei der nichts an die Wolke erinnert, die sich uns von der Schauseite her präsentiert. Hugo Suter ist ein intelligent reflektierender Objekt-Künstler, dessen Untersuchungen zur Wahrnehmung ihn zu immer neuen Resultaten und Bildern führen. Ein Maler ist er nicht, aber einer, der sich in der Malerei und ihren Tricks, Bilder herzustellen und zu evozieren, auskennt (wenn’s nötig ist, tut er dies auch mit dem Pinsel). Wenn er diese frappierenden Objekt-Kästen, die, auch wenn ihre Bildgegenstände wie gemalt wirken, keine Malerei präsentieren, mit „Malerei“ betitelt, so erinnert er uns an die Fähigkeit der Gattung, das Auge zu täuschen: „La pittura fa parere quale che non è“ – mit dieser Fähigkeit, etwas vorzustellen was es in Wirklichkeit nicht gibt, wurde in den alten Traktaten die Gattung der Malerei von jener der konkret vor dem Betrachter auf dem Boden stehenden Skulptur abgesetzt. Mit „Malerei (Wolke)“ leistete Hugo Suter einen ebenso wichtigen wie attraktiven Beitrag zur sehr erfolgreichen Ausstellung „Wolkenbilder“, die wir 2005 im Aargauer Kunsthaus zeigten, und deren neueren Teil wir unter den Titel „Die Erfindung des Himmels“ stellten.

Beat Wismer

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