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Luigi Lurati, Napoleon, 1965
Dispersion auf Baumwolle, 145 x 200 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau
Fotocredit: Alexandra Roth

Luigi Lurati (1936–1967) ist ein alter Bekannter im Aargauer Kunsthaus. 1988 widmete Beat Wismer Lurati eine Einzelausstellung, die den Beginn der Rezeptionsgeschichte seines Werkes markiert. Voraussetzung war, dass die Arbeiten von Lurati überhaupt wieder zum Vorschein kamen. Nach seinem Tod 1967 waren diese in fast vollständige Vergessenheit geraten, obwohl Lurati noch eine Beteiligung an der Ausstellung „Formen der Farbe“ in der Kunsthalle Bern bei Harald Szeemann hatte und auch in der Ausstellung „Wege und Experimente“ im Kunsthaus Zürich noch 1968 mit einer Arbeit vertreten war. Drei Studenten, unter ihnen auch Luratis späterer Sammler und Förderer Peter Suter, entdeckten das Werk bei einem Trödler und leisteten jene Vorarbeit, die es erlaubte, Luratis Arbeiten ins richtige Licht zu rücken.

Wenn der Name Luigi Lurati fällt, kommt man nicht um hin, den Mythos, der Person und Werk umwebt, zu erwähnen und dabei Acht zu geben, sein Schaffen nicht zu verklären. Luratis biografische Eckdaten bieten den Stoff, aus dem Legenden sind. Als Sohn italienischer Einwanderer 1936 geboren, bricht er eine Lehre als Laborant ab und besucht ein paar Abendkurse an der Kunstgewerbeschule in Basel. Er führt dank Gelegenheitsarbeiten ein Leben von der Hand in den Mund, zieht von Basel nach Zürich und macht sich einen Namen als Strassendandy, der verschwiegen, fast nie lächelnd und alles verweigernd, als Frauenheld bekannt ist. Er verkehrt in den Kreisen, die sich für die neuen künstlerischen Tendenzen der amerikanischen Kunst interessieren und diese als Teil ihrer Lebenshaltung sehen. Zentral war zweifelsohne die Ausstellung „Signale“ von Arnold Rüdlinger, wo die so genannte „Post Painterly Abstraction“ in der Schweiz ihren ersten grossen Auftritt hatte. Harte und kräftige Farbkontraste und genau abgesetzte Umrisskanten der Formen hatte er dort vielleicht gesehen. Seine Karriere als Künstler beginnt unvermittelt, er ist Autodidakt, malt neben dem Broterwerb meist nachts und ist kompromisslos in Vorgehen und Ausführung. Genau so abrupt endet sein Leben. Er verunfallt auf dem Weg von Paris nach Bern in seinem offenen Sportwagen. Er war auf dem Weg an die Ausstellungseröffnung „Formen der Farbe“.

Die beiden Bilder von Luigi Lurati, die das Aargauer Kunsthaus 2012 gekauft hat, ergänzen sich bestens. Sie wurden – übereinander gehängt – im Frühjahr 2012 in der Kunsthalle Bern gezeigt im Rahmen der Ausstellung „The Old, the New, the Different“. Dieser Ankauf rundet den Bestand der vier Arbeiten von Luigi Lurati ab, die das Aargauer Kunsthaus bereits in seiner Sammlung hat. Sie gehören zu jenem Typ von Werken, in denen Lurati sich mit der geschwungenen und der gebogenen Form auseinandersetzte. Die Werke sind symmetrisch aufgebaut, die untere und obere Bildhälfte könnten nahtlose aufeinander geklappt werden. Die scharfe Grenze der Konturen und die bestechende Farbwahl sind so offensiv, dass ein Hin- und Hineinschauen zwanghaft gefordert wird. Eine fast süsse, aber kräftige Farbgebung geht einher mit diesen runden Grundkonstellationen. Sie schafft einen Ausdruck, der in den Raum hinaus reicht und die Wahrnehmung oszillieren lässt zwischen einer poppigen und geometrischen Haltung. Gerade an diesen beiden Werken ist ersichtlich, wie sich Luratis Schaffen einer vorschnellen Einordnung in künstlerische und kunsthistorische Kategorien seiner Zeit entzieht. Peter Suter beschrieb die Kraft dieser Werke mit dem Begriff des ‚erzwungenen Bildes’, dem im Falle Luratis eben keine symbolische Wirkung eigen ist. Jedes Bild habe seine eigene Gesetzmässigkeit, die mit formaler und künstlerischer Gewalt erzwungen werde. Grossformat an Grossformat entstand, nur zu Beginn hatte Lurati Geduld für Skizzen. Er suchte die grosse Geste im Sinne einer plakativen und durchdringenden Gestaltung der Bildoberfläche, die uns heute noch unverzüglich in ihren Bann zieht, jung und kräftig erscheint und schliesslich kunsthistorische Einordnungen sowie die Bildtitel ‚Napoleon’ und ‚ Schwon’ als zweitrangig erscheinen lässt.

Thomas Schmutz

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