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Zilla Leutenegger, Piano, 2016
Öl auf Hahnemühle papier (Monotypie), 128 x 206 cm, Gemälde
Aargauer Kunsthaus Aarau

Seit ihren künstlerischen Anfängen Mitte der 1990er-Jahre widmet sich Zilla Leutenegger (*1968) in ihren oft träumerischen, um Alltagsmomente kreisenden Arbeiten sporadisch der Musik. Zu den wiederkehrenden Figuren gehört dabei jene der Pianistin, die ihre Rolle so interpretiert, dass unklar bleibt, ob Schein oder Sein, Wunsch oder Können ihr Handeln leitet. Das frühe Video „Pour Elise“ (1996), in dem die Künstlerin das im Off erklingende Anfängerstück auf einer Tischkante mitspielt, ist ein sprechendes Beispiel dafür; ein anderes die Szene mit dem Titel „Breakfast in London“ (1997), in der sie auf dem Klavier eines Hotelrestaurants herumklimpert.

Trat die Künstlerin damals als ihre alleinige, allzeitig verfügbare Protagonistin noch selber auf, so ging sie später dazu über, Objekte, Zeichnungen oder auch räumliche Situationen mit projizierten Licht- oder Schattenfiguren zu komplettieren. Hier wäre an „Ballerina“ (1997) zu denken und natürlich an „Rondo“ (2008), den atmosphärischen Auftritt im Scheinwerferlicht in der Ausstellung „Zilla und das 7. Zimmer“ im Kunstmuseum Thurgau. Seither sind vorwiegend Arbeiten entstanden, die ohne Personal funktionieren: Bilder karg möblierter Wohnräume, aus denen uns Flügel ein stummes „spiel auf mir“ zuraunen, aber auch Installationen mit echten Instrumenten, die dank eingebauter Mechanik wie von Zauberhand erklingen, wie dies beispielsweise in Castasegna in der Pergola der Villa Garbald der Fall war, sobald die Sonne den Flügel beschien („Piano soleggiato“, 2018), oder in Leuteneggers Soloschau „Casa Blanca“ in der Galerie Peter Kilchmann in Zürich, wo die intonierten Akkorde mit der Notation eines linkisch eingeübten Kinderlieds interferierten („Piano timido“, 2018).

Aus dieser Soloschau, die ihr Leitmotiv des narrativ aktivierbaren Raums – weisse Wand, leere Seite, Bühne etc. – dem Buch „Träume von Räumen“ (1974) von Georges Perec entlieh, konnte das Kunsthaus das Blatt „Piano“ (2016) erwerben. Leutenegger hat es in der Unikattechnik der Monotypie angelegt, und zwar in einem auffallend grossen und dadurch einladend wirkenden Format. Dagegen erweckt das Dunkel eine geheimnisvolle Stimmung: Stehen wir nachts in einem Musikzimmer? Und wenn ja weshalb? Ist der Hintergrund überhaupt eine Wand oder schauen wir, starr vor Lampenfieber, in den Zuschauerraum eines Konzertsaals? Der Flügel wirft einen Schatten, wie ihn Scheinwerfer erzeugen – also muss es letzteres sein. Doch wieso ist nur die Abdeckung der Tasten, nicht aber der Schalldeckel hochgeklappt und für den Auftritt bereit?

In all ihrer Sparsamkeit sind Leuteneggers Welten, respektive die ihrer Kunstfigur Zilla, Suggestivräume par excellence. Oft von Stille, langer Weile oder gar Melancholie durchwoben, bilden sie, Wachträumen gleich, die Echozonen unseres Bangens und Sehnens. Das Gefühl von Verlorenheit, das sich anfangs einstellen mag, verliert sich dabei meist schnell. Imagination hält Einzug, und nichts ist dann unmöglich – eine der schönsten Seiten von Leuteneggers Kunst.

Astrid Näff

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