Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualiseren Sie auf Edge, Chrome, Firefox.
X
Adrian Schiess, 42 flache Arbeiten, 1987-1990
Industrielack auf Spanplatte, 281 x 103.5 x 1.9 cm, Plastik/Skulptur
Aargauer Kunsthaus Aarau / Schenkung Sybil Albers und Gottfried Honegger

Zum Frühwerk des Zürcher Künstlers Adrian Schiess (*1959), der seit 1990 im südfranzösischen Mouans-Sartoux lebt, zählt eine Fotoserie, die unter anderem in den Schnee gesprayte Blumen, systematisch im Garten verteilte Äpfel und im Gras ausgelegte Farbbogen zeigt. Andere frühe Arbeiten verdanken sich farbig übergangenen Zeitschriftenseiten (Inv.-Nr. 6172), recycelten Papier- und Pappefetzen oder der monochromen Bemalung einfachster Fundstücke und Industriezuschnitte aus Holz. Damit wird von Beginn weg erkennbar, dass Gegenstand und Abstraktion einander bei Schiess nicht ausschliessen. Ebenso zeigt sich, dass der Künstler bei der Wahl seiner Materialien und Bildträger einen stark erweiterten sowie im Hinblick auf die Präsentation und Rezeption einen dem sogenannt offenen Kunstwerk verpflichteten Malereibegriff pflegt.

Diese Haltung gewinnt noch an Kontur, als auf die ersten, von Hand monochrom lackierten Wandobjekte wie „Klotz“ (Inv.-Nr. S5775) und ähnliche Werke der Jahre 1986/87 (Inv.-Nr. S4172) die bedeutende Werkgruppe der „Flachen Arbeiten“ folgt. Den Auftakt zu diesem umfangreichen Werkblock markieren mit Industrielack überzogene, bodennah auf Kanthölzern präsentierte Klotzbretter (Inv.-Nr. S4626). Abgelöst werden diese 1987 zunächst von handelsüblichen Spanplatten und – dem Wunsch nach glatterer Machart nachgebend – 1990 durch Aluminiumverbundplatten. Wie der Farbauftrag, der auf die Tilgung der individuellen Pinselschrift zielt, erinnern standardisierte Fertigung und serielle Verwendung dabei in beiden Fällen an die Ansätze der Minimal Art. Schiess’ Absichten treffen sich aber auch mit der monochromen respektive analytischen Malerei, die dem Bild als Abbild zwar misstraut, es als Farbereignis aber gleichwohl feiert.

Konsequent ist daher der Schritt, mit dem Werk von der Wand auf den Boden respektive in den Raum vorzudringen und den Betrachter physisch unmittelbar mit ihm zu konfrontieren. Besonders eindrucksvoll tut dies Schiess mit einer Auswahl von 68 „Flachen Arbeiten“, die er im Frühjahr 1990 im alten Erdgeschosssaal des Aargauer Kunsthauses zu einem in Reihen geordneten Farbfeld auslegt sowie mit der 42-teiligen Installation, mit der er im selben Jahr an der 44. Biennale von Venedig das barocke Kircheninnere von San Stae bespielt. Die nun auch „farblose“ Platten und Farbverläufe umfassenden Konstellationen, deren Präsentation nur wenige Vorgaben kennt (keine Wandhängung, dafür eine dem Raum respektive der Bodenfläche angepasste Vielzahl, die den Blick möglichst streut), offenbaren reine Malerei. In den glatten Oberflächen verfangen sich abhängig vom Standort auch das Licht und die Umgebungsfarben. Ebenso fliesst der bauliche Kontext mit ein, etwa wenn die Anordnung in Reihen den Rhythmus einer Fensterfront aufnimmt oder eine Gruppe von scheinbar absichtslos an die Wand gelehnten Platten den Ausstellungsraum spiegelt. Das Werk konstituiert sich also nicht gänzlich autonom, sondern erlangt seine volle Bedeutung erst in Verschränkung mit dem Sehakt des Betrachters und der damit verbundenen Vielansichtigkeit, aus der es sich permanent erneuert.

Unter den zahlreichen Werken, mit denen Schiess im Aargauer Kunsthaus präsent ist, kommt den „Flachen Arbeiten“ der prominenteste Rang zu. Sie erinnern nicht nur an Schlüsselmomente in der Ausstellungspraxis des Künstlers und des jüngeren Schweizer Kunstbetriebs; als sinnbildliche Farbpalette und Summe erlebter Bilder stehen sie ebenso beispielhaft für Schiess’ Weiterdenken der Abstraktion. Dies haben Sybil Albers und Gottfried Honegger (*1917) mit der mit der Aufnahme des Biennale-Blocks in ihre Sammlung gewürdigt, und mit seiner Schenkung an das Aargauer Kunsthaus haben sie 2002 kurz nach der Übereignung des Grossteils ihrer Bestände an die Gemeinde Mouans-Sartoux respektive parallel zur Umwandlung des 1990 von ihnen gegründeten Espace de l’Art Concret in ein von Gigon/Guyer errichtetes Sammlermuseum ein weiteres grosszügiges Zeichen gegenüber der Öffentlichkeit gesetzt.

Astrid Näff

X