C-Print auf Aluminium, 189 x 126 cm
Angeschnittene Türrahmen, feuchtes Mauerwerk, abgeplatzte Wandfarbe, eine zugemauerte Türöffnung, vergilbte Tapete mit Blumenmuster sowie dreckige Fussböden – dies sind die architektonischen Details, die auf den drei grossformatigen Fotografien aus der Serie „Hotel Dolores“ (2009/2010) von Manon (*1946) zu sehen sind. Im einen Bild ist an einem drahtigen Kleiderhaken ein pastellblauer Bademantel aufgehängt und auf dem Pin-up neben dem Türrahmen räkelt sich eine Frau mit goldig lockigem Haar in erotischer Pose. Drei hölzerne Beinprothesen baumeln in einer anderen Fotografie an der Wand des Zimmers.
Mittels solcher Requisiten greift Manon in real vorgefundene Interieurs verlassener und zerfallender Bäderhotels im Aargauischen Baden ein und macht die sorgfältige Inszenierung der Bilder offenkundig. Im Vergleich zu anderen Bildern aus der zirka 170-teiligen Serie sind gerade in den drei Fotografien, die anlässlich der monografischen Ausstellung im Aargauer Kunsthaus 2011 angekauft wurden, diese Eingriffe zurückhaltend. Während sich Manon typischerweise für zahlreiche Fotografien der Serie in surrealen, absurden oder auch realistischen Verkleidungen darstellt – Manon zeigt sich im Eisbären- oder Einhorn-Kostüm, als Kurgast im seidenen Bademantel, als Kellner mit Sektkühler, als psychisch kranke Patientin oder Femme fatale im Latex-Anzug –, sind die erworbenen Bilder Beispiele für die Abwesenheit der Künstlerin. Mit manchen Kostümierungen zitiert Manon eigene Werke aus früherer Zeit. So reinszeniert sie die Rolle von Lola Montez, in die Manon 1975 während der Performance Das „Ende der Lola Montez“ schlüpfte. Damals stellte sich die Künstlerin mit schwarzer Helmmütze und Augenmaske sowie in einen schwarzen, hautengen Jersey-Anzug gekleidet in einem Raubtierkäfig dem Publikum zur Schau.
Die künstlerische Strategie des Selbstzitats prägt die ganze Serie „Hotel Dolores“. Nicht nur bekannte Rollen nimmt Manon wieder auf, sie baut auch Objekte aus früheren Installationen und Fotografien älterer Serien in die konstruierten Szenerien der Hotelzimmer ein: der Koffer von „Das lachsfarbene Boudoir“ (1974/2006), das Schälchen mit Katzengras aus dem ein künstlicher Penis herausragt von „Forever Young“ (1999), Fotografien von „Borderline“ (2007) oder Pin-ups von „La dame au crâne rasé“ (1977–1978). Mit diesen Zitaten verweist Manon auf einen grossen Teil ihres künstlerischen Werks. Durch diese Einschreibung ihres Gesamtwerks in die Arbeit „Hotel Dolores“ erfüllt die fotografische Serie die Funktion einer Retrospektive. Sie verfolge schon seit Jahren die Idee, eine Arbeit mit dem Thema der Flüchtigkeit menschlicher Existenz zu schaffen, sagte Manon. Die verwaisten Räume der ehemals belebten und prächtigen Hotels vermögen diese Flüchtigkeit zu spiegeln. Indem Manon der Nachwelt eine erinnernde, autobiografische Fotoserie hinterlässt, setzt sie sich selbst gegen das allgemeine Vergessen ihrer Künstlerfigur zur Wehr.
Catherine Nuber