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Christian Megert, Spiegel-Objekt, 1975
Kasten, Spiegel, 30 x 30 x 30 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau

Bereits während seiner Ausbildungszeit an der Kunstgewerbeschule kommt der in Bern geborene und ausgebildete Christian Megert (*1936) mit den wichtigsten Vertretern der damaligen „Europäischen Avantgarde“ in engen Kontakt. Verantwortlich dafür ist vor allem Harald Szeemann (1933–2005), der damalige Kurator der Kunsthalle in Bern. Während dessen Ära wird Bern zu einem bedeutenden Informationszentrum für zeitgenössisches Kunstschaffen. In der Kunsthalle lernt Megert unter anderem die Werke von Otto Piene (1928–2014), Günther Uecker (*1930) und Heinz Mack (*1931) kennen, welche traditionelle Bildkomposition nach und nach durch serielle Bildordnungen ablösen: Uecker schafft Nagelobjekte und Weissstrukturen, Mack kreiert Aluminiumreliefs sowie dynamische Strukturen und Piene experimentiert neben Russ mit Lochplatten. Diese Künstler, welche später gemeinsam mit Megert der „Zero“-Kunst zugeordnet werden, ersetzen zudem Farbe mit Licht und Bewegung und verwenden neue, kunstfremde Materialien.

Bis 1955 schafft Megert vor allem monochrome Material- und Strukturenbilder, sowie Plastiken aus Eisen und Kunstharz. Zudem betätigt er sich als Maler. Die Struktur „meiner gemalten Bilder hatte jedoch für mich zu wenig Tiefe, deshalb versuchte ich mit Glas und Spiegel mehr Dreidimensionalität zu schaffen, indem ich darauf malte. Dabei stellte ich fest, dass in Glas und Spiegel die Disposition zur Räumlichkeit bereits vorhanden war und ich dieses unter meiner deckenden Malerei versteckte“, so Megert. Fortan verwendet der Künstler immer mehr Spiegelelemente und sieht den Spiegel selbst „als Material, mit dem Raum geschaffen werden kann“: Bildraum wie auch reellen Raum. 1961 verfasst Megert sein Manifest „Ein neuer Raum“ anlässlich einer Ausstellung in Kopenhagen. Das Manifest gilt als Aufruf, mit der „Hilfe von Kunst alles Räumliche neu zu überdenken“.

Insbesondere mit seinen Spiegel-Arbeiten, dazu gehört das „Spiegel-Objekt“ im Aargauer Kunsthaus, hebt Megert die Hierarchie zwischen dem produzierenden, aktiven Künstler und dem zunächst passiven Betrachter auf. Die Kunstwerke führen zu Interaktion: Ein einfacher Holzkasten, in welchen schmale Spiegelstücke eingelassen sind, holt sich den Raum in den leeren Kasten. Megert sagt dazu: „Mich interessiert, wie der umgebende Raum ins Bild- oder in den Skulpturenraum kommt.“ Das Werk „Spiegel-Objekt“ reflektiert Megerts Interesse an der dialogischen Struktur, welche die meisten Arbeiten des Künstlers zum Grundsatz haben. Die Untersuchung und Sichtbarmachung elementarer Phänomene wie Bewegung, Licht und Wahrnehmung können zudem Fragen nach dem Verhältnis zwischen Individuum und Umwelt, Wesen und Erscheinung oder Wahrheit und Täuschung, aufwerfen. „Kunstwerke sind Seh- und Denkmodelle“, hält der Künstler fest. „Wo sie als diese wahrgenommen werden, erzeugen sie Veränderungen und regen zum Denken an“, so Megert.

Seit den frühen 1960er-Jahren arbeitet der Künstler auch an sogenannten „räumlichen Environments“, Spiegelräume welche Galerien- oder Museumsräume in begehbare, installative Kunstwerke verwandeln. So werden beispielsweise einzelne Räume mit Spiegelquadraten behängt, wobei sich die Raumfragmente und Besucher vervielfachen und dabei in endloser Synthese neue Räume erzeugt werden. Megert schafft zudem kinetische und insbesondere lichtkinetische Objekte: Einen Höhepunkt dieser Werkgruppe bilden in der zweiten Hälfte der Sechzigerjahre die „Lichtkästen“ und „Unendlichraumkästen“, die bis in die Siebzigerjahre hinein weiterentwickelt werden.

Nach Aufenthalten in Stockholm, Berlin und Paris kehrt er nach Bern zurück. 1968 partizipiert er an der Documenta IV und ist zwischen 1976-2002 Professor an der Kunstakademie Düsseldorf, wo er den Lehrstuhl für „Integration Bildende Kunst und Architektur“ innehat. Megert lebt und arbeitet heute in Bern und Düsseldorf. Trotz der Bandbreite seines Tätigkeitsfeldes manifestiert sich sein Werk bis heute als in sich geschlossen. Es folgt dem Grundsatz, eine enge dialogische Beziehung zum Umgebungsraum einzugehen. Insbesondere in den 1980er- und 1990er-Jahren entstehen vermehrt Arbeiten aus hochpoliertem Stein (zum Beispiel „3 Stelen“ auf dem Rathausplatz vor dem Rathaus in Vaduz), sowie grosse Auftragsarbeiten (zum Beispiel ein 300 Meter langes Spiegel-Licht-Environment für die Schweizerische Nationalbank). Während in dieser Zeit Spiegel eine weniger wichtige Rolle spielen, setzt sich der Künstler seit der letzten zehn Jahre erneut mit dem Spiegel als Kunstmedium auseinander. Dabei greift der Künstler frühere konstruktivistische Gestaltungselemente auf und ergänzt diese mit Farbe. Es entstehen serielle Reihungen farbiger, auf Spiegelelemente aufgemalte Elemente, die in ihrer „unendlich fortsetzbaren Vervielfachung ganze Farbräume gestalten“.

Christian Herren

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