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Helmut Federle, motor city, 1980
Dispersionsfarbe auf Wellkarton auf Holz, 40.5 x 52 cm, Gemälde
Aargauer Kunsthaus Aarau / ehemals Sammlung Martin Disler

1979 zieht Helmut Federle (*1944) nach New York, wo er mit Unterbrechungen vier Jahre lebt. Dieser Standortwechsel erfolgt als Reaktion auf eine Phase der künstlerischen Resignation, wie sich der Künstler im Gespräch mit Kunsthistoriker Bernhard Bürgi erinnert: „Enttäuscht über meine damalige Situation ging ich nach Amerika und wusste, dass ich entweder das Malen aufgeben oder versuchen würde, zumindest meine Situation zu ändern, nochmals bei Null anzufangen.“ Wichtige Impulse erhält er von der abstrakten Malerei von Clyfford Still (1904–1980), Barnett Newman (1905–1970) oder Mark Rothko (1903–1970), mit denen sich Federle bereits zu Studienzeiten in Basel auseinandergesetzt hat. In New York hinterlassen sie aber erstmals nachweisliche Spuren in seiner Malerei. Beispielsweise wagt sich Federle unter dem Eindruck der Grossformate der Abstrakten Expressionisten und Farbfeldmaler selbst an monumentale Bildgrössen. Mit diesen Werken, die eine charakteristische auf Schwarz-, Grau- und schmutzigen Gelbtönen basierende Farbigkeit aufweisen, wird Federle international bekannt.

In New York malt Federle auch die Arbeit mit dem Titel „Motor City“, die ein Highlight der Federle-Sammlung des Aargauer Kunsthauses bildet. 1980 entstanden, ist das auf Holz aufgezogene Bild zwar viel kleiner als die folgenden „New York Paintings“, in seiner Dichte und Präsenz verweist es aber bereits auf die Monumentalität, die an den grossen Gemälden so beeindruckt. Das Werk kann 1998 aus dem Nachlass von Federles Künstlerfreund Martin Disler erworben werden. Es leitet nicht nur zur wichtigen neuen Werkphase über, sondern produziert auch auf beispielhafte Art und Weise jenes Spannungsmoment aus formaler Klarheit und gleichzeitiger Undeutlichkeit, das prägend ist für Federles Malerei. Aus ebendieser Ambivalenz schöpft sich der emotionale, durchwegs spirituelle Gehalt der Bilder.

Auffallend an „Motor City“ ist der klar diagonal organisierte Bildaufbau – eine Seltenheit in dieser Periode, in der Federle vornehmlich mit Vertikalen und Horizontalen operiert. Die Diagonale setzt sich in Form einer schwarzen geometrischen Figur vom vorherrschenden gestisch gemalten Gelbgrau ab. Ähnlich wie bei den „New York Paintings“ fühlen wir uns an städtische Strukturen erinnert, an Grundrisse von Häusern etwa oder an die Silhouette einer Strasse, worauf wohl der Titel der Arbeit referiert. „Motor City“ findet zudem als Übername der Stadt Detroit Verwendung, die mit ihrer langen Automobiltradition als Industriestadt par excellence gilt. Spüren wir der diagonalen Form weiter nach, so stossen wir auf eine Zeichnung, die im selben Jahr entstanden ist und ein eng verwandtes Motiv aufweist. Dieses Blatt, über das sich eine ähnlich geschachtelte Längsform zieht, betitelt Federle mit „Amerikanischer Grundriss für meinen Wohntrakt, nach meinem Namen rhythmisiert“. Dank des Hinweises im Titel dürfen wir die Zeichnung zu jener Reihe von Arbeiten zählen, in denen Federle die Initialen seines Namens als Ausgangspunkt für geometrische Kompositionen wählt. In diesem Fall verzahnt er die Buchstaben zu Kolonnen, die den Anschein eines imaginierten Häusergrundrisses machen. Die Verwandtschaft der Zeichnung zu „Motor City“ aufgreifend, liessen sich somit auch die Auskragungen hier als Buchstaben deuten, etwa als H von Helmut. Zur inhaltlichen Lesbarkeit des Bildes trägt diese Erkenntnis indes nicht bei. Der Künstler selbst betont, dass ihm die Zeichen stets nur als „Vorwand“ dienen, „eine bildliche Komposition aufzubauen“ – sie zielen also auf keine konkreten Aussagen ab.

Yasmin Afschar

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