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Philipp Jakob (II.) Loutherbourg, Wanderer von Wölfen angefallen, 1765
Oil on canvas, 46 x 55 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau

Der in Strassburg geborene Philipp Jakob Loutherbourg (1740–1812) erhält seine erste Ausbildung bei seinem Vater Philipp Jakob Loutherbourg dem Älteren, einem aus der Schweiz stammenden Kupferstecher und Miniaturmaler. Um dem talentierten Sohn die bestmögliche Ausbildung zu gewährleisten, zieht die Familie 1755 nach Paris, wo Loutherbourg Schüler des bekannten Malers Carle van Loo wird (1705–1765). Loo, gepriesen für seine historischen, mythologischen und religiösen Gemälde, beliefert zahlreiche europäische Höfe. Später wird Loutherbourg in das Atelier des Schlachtenmalers François Joseph Casanova (1727–1802) aufgenommen. Beide Lehrmeister vermitteln ihm den Zugang zur niederländischen Malerei, unter denen insbesondere Philip Wouwerman (1619–1668) und Nicolaes Berchem (1620–1683) Loutherbourg inspirieren. Obschon Loutherbourgs Begabung als Maler zu Lebzeiten gelobt wird und er der einzige Künstler seiner Zeit ist, der Mitglied der beiden angesehensten Kunstakademien Europas ist – der Pariser Académie royale de peinture et de sculpture und Royal Academy of Arts in London –, gerät sein Œuvre nach seinem Tod in Vergessenheit. Ihn ereilt das gleiche Schicksal wie zahlreiche andere Künstler, deren Schaffen der allgemeinen Ablehnung des 19. Jahrhunderts gegenüber der Kunst des 18. Jahrhunderts zum Opfer fällt.

In „Wanderer von Wölfen angefallen“ setzt Loutherbourg die titelgebende Szene prominent in die Mitte des Bildvordergrundes. Eine von Schnee bedeckte, nur karg mit Büschen und niederen Bäumen bewachsene Ebene bildet die Bühne, auf der eine männliche Figur von zwei Wölfen angegriffen wird. Von hinten beisst ein Tier in die Wade des Wanderers, das andere setzt von vorne zum Angriff an und lässt ihn zu seiner Verteidigung gerade mit einer Axt ausholen. Dahinter breitet sich die flache von kühlen Graublautönen dominierte Landschaft aus, und in der Ferne zeichnet sich ein Bergmassiv ab.

Es scheint, als ob der ausgesuchte Tiefeneffekt und die gesteigerte Illusion des vorliegenden Ölgemäldes auf Loutherbourgs weitere künstlerische Laufbahn verweisen. Er beginnt als Landschaftsmaler und erregt mit seinen an den Salons präsentierten Werken die Aufmerksamkeit des Kunstkritikers Denis Diderot (1713¬–1784), der in Loutherbourg ein vielversprechendes Talent erkennt und dessen Entwicklung verfolgt. Als Diderot 1769 ausruft: „Ah! Wenn dieser Künstler nur einmal auf Reisen ginge und sich entschlösse, die Natur zu sehen“, reist Loutherbourg in den Süden Frankreichs, nach Deutschland und in die Schweiz. In Italien hält er sich nur kurz auf. Er gehört zur ersten Generation von Kunstschaffenden, die die Besichtigung Italiens nicht mehr für nötig erachten und somit mit der italienischen Dominanz in der Malerei brechen. 1771 verlässt Loutherbourg Paris für London, wo er durch Kupferstiche bereits Bekanntheit erlangt hatte und sich seine aussergewöhnliche Karriere in den folgenden Jahren abspielt. 1773 wird er vom Schauspieler David Garrick (1717–1779) als Bühnenbildner am Drury Lane Theatre engagiert und reformiert mit seinen spektakulären Hintergründen die Theatermalerei. Die wohl originellste Produktion bildet „Omai or a Trip round the World“, die sich den Abenteuern des Captain Cook in der Südsee zwischen 1772 bis 1775 widmet. 1781 verlässt Loutherbourg das Drury Lane Theatre und kombiniert in seiner eigenen Erfindung, dem „Eidophusikon“, Elemente des Theaters und der Malerei. Es handelt sich dabei um eine Art Miniaturtheater, das natürliche Phänomene wie beispielsweise Sonnenuntergänge, Stürme oder Wasserfälle mithilfe von beweglichen, transparent bemalten Bildplatten imitiert. Ab 1784 wendet sich der Künstler der englischen Landschaft zu und befasst sich zunehmend mit der Schilderung von Stürmen, Unwettern und Lawinen. Er erlangt damals als einziger englischer Landschaftsmaler internationalen Ruhm und vermittelt der Landschaftsmalerei Grossbritanniens entscheidende Impulse, die in erster Linie von William Turner (1775–1851) aufgegriffen werden.

Karoliina Elmer

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