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Hans Ernst Brühlmann, Zwei ruhende Figuren vor Landschaft, um 1908 - 1909
Bleistift auf Papier, 19.5 x 20 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau
Fotocredit: Jörg Müller

Die Sammlung des Aargauer Kunsthauses beherbergt neben Gemälden des im thurgauischen Amriswil geborenen Hans Brühlmann (1878–1911) zahlreiche seiner Zeichnungen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als eine unheilbare Krankheit Brühlmanns Schaffensdrang zeitweise beeinträchtigt, entsteht eine immense Anzahl hervorragender Werke auf Papier, die ihn als wichtigen Zeichner der modernen Schweizer Kunst ausweisen. Der Künstler Rudolf Frauenfelder kommt 1961 sogar zum Schluss, dass „das vorangegangene malerische Werk wie eine Vorbereitung für die Zeichnung der zwei letzten Lebensjahre [ist].“ Obwohl Brühlmann viel zerstörte und einiges verloren ging, ist eine beträchtliche Anzahl von Blättern überliefert, die uns in ihrer zeitgemässen Wirkung am stärksten treffen.

Im Jahr 1903 wird bei Brühlmann die Infektionskrankheit Syphilis diagnostiziert, die zum damaligen Zeitpunkt nicht wirksam behandelt werden kann. Ab 1909 verschlechtert sich sein Zustand merklich. Es folgen Spitalaufenthalte in der Schweiz sowie in Brühlmanns Wahlheimat Deutschland. Durch die Schwächung ist der Künstler gezwungen, sich auf kleine Formate und einen knappen Reduktionsstil zu beschränken. Teilweise weicht der Künstler wegen einer Behinderung der rechten Hand auf die Linke aus und zeichnet mit einem Bleistiftstummel, seltener mit der Feder, um dem Papier näher zu sein. Jeder Strich erfordert einen erheblichen Kraftaufwand, der sich im intensiven Ausdruck der kleinformatigen Blätter widerspiegelt.

Es entstehen in diesem Jahr wenige Stillleben, zahlreiche Landschaften und allen voran Figurenzeichnungen: überwiegend Liegende und Stehende in der Landschaft und als letzte künstlerische Äusserung vor seinem Tod Schwebende, sogenannten „Flügerli“, die den Boden unter sich lassen. Die meisten Blätter sind Entwürfe für geplante, mehrheitlich nicht realisierte Gemälde, aber daneben existieren auch Zeichnungen, die als autonome Kunstwerke betrachtet werden können.

„Zwei ruhende Figuren vor Landschaft“ eröffnet den Betrachtenden zwei an den vordersten Bildrand gerückte Akte: Nimmt die eine Figur – den Kopf wendet sie mit geschlossenen Augen ab –sitzendend mit abgestütztem Oberkörper und ausgestreckten Beinen die ganze Breite ein, beschränkt sich die Darstellung einer weiteren Person vor ihr auf deren Oberkörper. Ihr Kopf ruht auf der linken Hand, und sie richtet ihren Blick aus dem Bild. Hinter ihnen zeichnen sich summarisch angedeutete Hügel mit einzeln gesetzten Bäumen ab.

Für Brühlmann scheint die Unterscheidung zwischen Naturstudium und Komposition nicht mehr relevant; vielmehr wirken die Dargestellten, eingebettet in die Umgebung, wie ein Teil von ihr. Sie zeigen keine Gefühlsregungen, sondern stehen in sich versunken in stummem Einklang mit der Natur. Einen Gegensatz zu den grösstenteils klar gezogenen Linien, die der Zeichnung eine ruhige, endgültige Wirkung verleihen, bilden die mehrfach gesetzten Striche in der Armhaltung der vorderen Gestalt: Entweder aus Unsicherheit oder in korrigierender Absicht deutet Brühlmann unterschiedliche Stellungen an und erzeugt damit eine Ahnung von Bewegung.

Wie in seinen malerischen Arbeiten stösst der Künstler auch in den Zeichnungen zu einem höchst eigenwilligen Stil vor. Stellvertretend für Brühlmanns gesamtes Schaffen führt das vorliegende Blatt seine primären Anliegen vor Augen, die wesentlichen Aspekte des Geschauten zu einem klaren Formgebilde zu komponieren und es in die Fläche zu zwingen.

Karoliina Elmer

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