Assemblage mit Pinsel, Holz, 63.5 x 53.4 x 24.5 cm
Es war ein lang gehegter Wunsch, ein repräsentatives Werk von Daniel Spoerri (*1930) für die Aargauische Kunstsammlung zu erwerben. Da die frühen, autarken „Fallenbilder“, mit denen der Künstler international bekannt wurde, im Fokus so mancher Sammler stehen, gelangen sie kaum in den Verkauf. Umso glücklicher erwies sich der Umstand, dass wir im Kunsthandel das Relief-Bild mit Pinsel entdeckten und für das Aargauer Kunsthaus ankaufen konnten.
Als sich in Amerika und in Europa um 1960 eine Opposition gegen die Dominanz und die Dogmatik der ungegenständlichen Kunst formiert, ist Daniel Spoerri in Paris an vorderster Front dabei und gehört mit Arman (1928–2005), Raymond Hains (1926–2005), Martial Raysse (*1936), Yves Klein (1928–1962), François Dufrêne (1930–1982), Jacques de la Villeglé (*1926) und Jean Tinguely (1925–1991) zum Kreis der Nouveaux Réalistes. Die lose Künstlergruppe um den Kunstkritiker Pierre Restany (1930–2003) wendet sich ganz bewusst wieder der realen Gegenstandswelt zu, die aus der Kunst lange Zeit verbannt worden war. Wie seine Künstlerfreunde integriert Daniel Spoerri alltägliche Dinge in die Kunst und findet zu den bekannten „Fallenbildern“, in denen er vorgefundene Reste einer Mahlzeit mit Geschirr, Gläsern und Besteck sowie liegen gelassenen Lebensmitten auf der Tischfläche fixiert und als dreidimensionales Stillleben an die Wand hängt. Der Einbezug des Zufalls und das Anekdotische der Situation sind nicht nur bewusste Gegenbilder zum Absolutheitsanspruch und Pathos der grossen Abstraktion gedacht, sondern auch im Rahmen einer neuen Rezeption des Dadaismus und des Surrealismus zu sehen, die in dieser Zeit die Künstler ebenso wie die Kunstkritik umtreibt.
Für Daniel Spoerri kann alles ein „Fallenbild“ sein, nicht nur die in die Vertikale gekippten Tische mit Speisresten, sondern auch eine Arbeitsfläche im Atelier oder ein Brett mit beliebigen Utensilien. Unser Werk gehört in diesen Kontext insofern auch hier ein zufälliger Moment festgehalten wird. Allerdings zeigt es kein Arrangement mit mehr oder weniger ordentlich oder unordentlich gruppierten Gegenständen, hier ist der Künstler quasi während dem Malen davon gelaufen und liess den Pinsel in der noch frischen Farbe stecken. Von den klassischen „Fallenbildern“ unterscheidet sich dieses Werk, weil es nicht eine alltägliche Situation zur Kunst erklärt, sondern von Anfang an Bild ist und als Kommentar auf Kunst verstanden werden kann. So ist es wohl kein Zufall, dass Spoerri hier ein weisses Bild zeigt, und es ist naheliegend, dass er sich damit auf die damals sehr aktive Bewegung der Zero-Künstler bezieht, die Weiss als Ausdruck der vollkommenen Reduktion und Konzentration verstehen. Gegen eine solche puristische Ästhetik setzt sich Daniel Spoerri mit dem Realismus des Pinsels und der kruden Materialität des Bildträgers deutlich ab und negiert damit das Gebot der „Stunde Null“, die von aller Vergangenheit unbelastet sein will. Spoerri verhält sich dem gegenüber skeptisch: Er bezieht sich in seiner Kunst immer wieder explizit auf die Geschichte und mit seinem Malerei-Kommentar schreibt er sich auch in die Geschichte der Malerei des 20. Jahrhunderts ein, die am Aargauer Kunsthaus mit besonderer Aufmerksamkeit gepflegt wird. Handgreiflicher als es Daniel Spoerri hier tut, kann man Malerei kaum vorführen.
Stephan Kunz