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Fritz Baumann, Bildnis Otto Morach (Der Mann im Strohhut), 1910
Öl auf Leinwand auf Karton, 81 x 61 cm, Gemälde
Aargauer Kunsthaus Aarau

Mit dem Gemälde „Bildnis Otto Morach (Der Mann im Strohhut)“ schafft Fritz Baumann (1886–1942) – Maler, Zeichnungslehrer und späterer Mitbegründer der Künstlervereinigung „Das Neue Leben“ – ein bedeutendes Frühwerk des Schweizer Kubismus. Die dominierenden Farben Grau und Braun im Porträt des Solothurner Malers Otto Morach (1887–1973) werden durch die farblichen Akzente des weissen Hemdes und des hellbeige-gelblichen Hutes durchbrochen. Baumann bleibt der Fläche verhaftet und zerlegt das Bildnis in einfache, prägnante Flächen, ohne dabei die Lesbarkeit des Dargestellten einzuschränken. Mit diesen Gestaltungsprinzipien schliesst er sich Pablo Picassos (1881–1973) und Georges Braques (1882–1963) Frühkubismus der Jahre 1908/09 an und nicht ihrer teilweise schwer lesbaren analytisch-kubistischen Formensprache von 1910/11.

Nach einer Lehre zum Dekorationsmaler von 1901 bis 1904 in Basel, besucht Baumann die Malklasse von Fritz Schider (1846–1907) an der dortigen Gewerbeschule. Weitere künstlerische Ausbildung erhält er 1907 bis 1909 an den Akademien in München und Karlsruhe. In Deutschland entstehen seine ersten selbstständigen Werke, symbolistisch-jugendstilhafte Radierungen, die von Baumanns Auseinandersetzung mit Arnold Böcklin (1827–1901), Giovanni Segantini (1858–1899), Ferdinand Hodler (1853–1918) und Hans Thoma (1839–1924) zeugen. 1909 hält sich Baumann zum ersten Mal in Paris auf, verbringt den Sommer 1910 noch mit Ferdinand Hodler auf der Schynige Platte in der Berner Alpen und erst im folgenden Winter findet er nach eigenen Worten in der französischen Hauptstadt den „Anschluss an die Kubisten“.

Morach lebt ebenfalls von 1909 bis 1911 in Paris, und im Winter 1912/13 arbeitet er neben Baumann und Arnold Brügger (1888–1975) im Atelierhaus „La Ruche“. Bis 1913 entstehen mehrere Porträts Morachs in unterschiedlichen Medien. Das Entstehungsdatum des von Baumann auf „10“ datierten Sammlungswerks wird angezweifelt, da es bedeuten würde, dass er sich innert Monatsfrist den Kubismus angeeignet hätte, und dafür scheint das Bildnis zu gut. Vergleichsbeispiele fehlen, da der Künstler sein Frühwerk weitgehend zerstört hat. Zusätzlich gilt es zu berücksichtigen, dass Baumann seinen Kubismus in erster Linie in einer Reihe von Holzschnitten entwickelt. Ab 1912 widmet sich Baumann vermehrt dem Werkstoff Holz und verschafft sich neben Alice Bailly (1872–1938), Ignaz Epper (1892–1969) und Walter Helbig (1878–1968) den Ruf eines führenden Vertreters des expressionistischen Holzschnitts vor und während des Ersten Weltkriegs in der Schweiz. 1913 zieht der Künstler nach Berlin und schliesst sich der Künstlergruppe „Der Sturm“ um Herwarth Walden (1878–1941) an. In der gleichnamigen Zeitschrift wird Morachs Bildnis 1915 in einer Holzschnittversion publiziert.

Der Kubismus bildet in Baumanns heterogenem, von stilistischen Wechseln geprägtem Œuvre eine kurze, wenn auch wichtige Episode. Neben der kubistischen Formensprache fasziniert Baumann das naive Verhältnis zur Wirklichkeit eines Henri Rousseau (1844–1910) – auch Picasso und die Pariser Avantgarde verehren ihn –, mit dem er sich nach 1913 vermehrt beschäftigt.

Karoliina Elmer

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