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Robert Müller, Uovo di Corvo, 1976 / 1977
Marmor mit Intarsien, 60 x 98.5 x 97 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau
Copyright: ProLitteris, Zürich
Fotocredit: Brigitt Lattmann

Robert Müller (1920–2003), von Germaine Richier (1902–1959) und Otto Charles Bänninger (1897–1973) in Zürich in die Bildhauerei eingeführt, ist heute vor allem für seine Eisenplastiken bekannt. Diese entstanden in Loslösung vom neoklassischen Ideal seiner Lehrer ab den frühen 1950er-Jahren in Paris, wo der Künstler 1949 seine Wahlheimat fand. Nach weltweiten Erfolgen mit den Arbeiten dieser Werkphase, von der im Aargauer Kunsthaus der fast mannshohe „Aaronstab“ (Inv.-Nr. S4249) zeugt, schien der Werkstoff Eisen ab der Mitte der 1960er-Jahre für Müller indes ausgereizt. Neben die Assemblagen aus Metall traten klassischere Materialien wie Gips, Holz und Stein, bis die Skulptur 1978 ihre Bedeutung für Müller schliesslich komplett verlor und er sich vollauf der Zeichnung und Druckgrafik zu widmen begann.

Aus der Spätzeit dieser Übergangsperiode stammt „Uovo di corvo“ (Rabenei). Das in der Tradition der polychromen Plastik stehende Werk besteht aus zwei Sorten Marmor, die zu dem im Titel angesprochenen eiförmigen Gebilde verarbeitet wurden, das exponiert auf einem felsartig gestuften Sockel aufliegt. Die im schwarzen Werkstück eingelassenen weissen Linien sind im Pietra-dura-Verfahren ausgeführt, einer alten, der Intarsie verwandten Dekorationstechnik, die sich auch auf organische Materialien wie Schildpatt, Perlmutt oder Koralle sowie auf Halbedelsteine anwenden lässt. Die dadurch erzielte kostbare Anmutung korrespondiert mit der Wichtigkeit, die Müller Paarungs- und Zeugungsvorgängen beimass, während die gezackte Linienführung das ins Leben Drängende im Augenblick des Aufbrechens der Schale zu veranschaulichen scheint. Darüber hinaus künden die Inkrustationen vom zeichnerischen Zugang, den der Künstler zeitlebens zu seinen Themen und Motiven pflegte. Wie die Brüche, die das Ei und den Horst überziehen, haben sie gliedernde Funktion, lenken die Aufmerksamkeit als aufwendige, in der Bildhauerei eher rare Form der Binnenstrukturierung aber besonders auf das Spiel von Linie und Fläche. Analog zum Gros von Müllers Arbeiten auf Papier, deren Kraft primär der Expressivität der Linie, sprich ihrer monochromen Präsenz entspringt, ist die Farbigkeit auch hier auf ein Minimum begrenzt, wobei der anfänglich harte Kontrast von Schwarz und Weiss zusehends zum Zweiklang wird. Das Werk erhält durch diese verknappte zeichnerische Behandlung eine dem zeitlosen Thema entgegenkommende atavistische Qualität, die in den monolithischen, von Relief- und Rillenzeichnungen überzogenen Steinskulpturen der frühen 1970er-Jahre vorbereitet scheint.

Astrid Näff

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