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Guido Nussbaum, Hochhaus (Figürchen von Patricia Nussbaum), 1981
Fotografie auf Aluminium, 300 x 86 cm, Fotografie
Aargauer Kunsthaus Aarau / Schenkung des Künstlers

Guido Nussbaum (*1948) studiert an der Kunstgewerbeschule Luzern gestalterische Plastik, Malerei und Fotografie. Anschliessend erwirbt er das Zeichenlehrerpatent und unterrichtet einige Jahre in seinem Heimatkanton Aargau. Ab 1976 tritt er erstmals in Erscheinung mit seinen sogenannten „Manöggeln“, abstrakten Holz- und Blechfiguren, die er aus reduzierten Formen und Volumina zimmert. 1982 zieht Nussbaum nach Basel. Neben einem Lehrauftrag an der Schule für Gestaltung arbeitet er an seinem eigenen Œuvre. In seinen konstruktiven Plastiken wie auch in den ab 1984 entstehenden realistischen Gemälden kommt eine hohe handwerkliche Fertigkeit und Präzision zum Ausdruck. Erweitert wird sein Schaffen um die Gattungen Fotografie, Installation und Kunst am Bau. Aktionskunst, Audio- und Videoarbeiten fügen der materialbetonten Arbeit eine flüchtige, diskursive Ebene hinzu. Häufig zeigt sich erst auf den zweiten Blick, dass hinter der vermeintlich leicht lesbaren Bildsprache ein konzeptueller Ansatz steckt: Während einige Arbeiten als kritische Kommentare auf den Kunstmarkt zu lesen sind, lassen andere über Wahrnehmung und Kategorisierung von Malerei, Fotografie und Plastik nachdenken.

Die Fotografie „Hochhaus“ zeigt den Künstler Guido Nussbaum als übergrosse Version seiner selbst. Aufrecht stehend erstreckt er sich über das gesamte drei Meter hohe Bild. Sein Blick fällt zu Boden, wo sich zu seinen Füssen eine scheinbar aufgebrachte Menschengruppe um einen Krankenwagen schart. Der Grössenunterschied zwischen dem riesenhaft erscheinenden Künstler und der aus Spielfiguren arrangierten Miniaturszene ist immens. Als Betrachterinnen und Betrachter nehmen wir eine Zwischenposition ein, wobei wir der Blickrichtung des Künstlers folgend das Geschehen gleichsam aus der Vogelperspektive betrachten. In den 1980er- und 1990er-Jahren beginnt Nussbaum damit, seine Person oder zumindest einzelne Körperteile in seine Bilder einzubinden. Damit stellt er sein Werk in Beziehung zu sich selbst als Künstler, Modell, Vorlage und Ausgangspunkt für weiterführende Gedanken und künstlerische Prozesse. Modellhaft erscheint auch die „Hochhaus“-Figur. Die überlebensgrosse Gestalt kommt durch ihre Monumentalität der Präsenz einer Figurenstatue nahe und zeigt damit das technische Potenzial der Fotografie auf. Inhaltlich gesehen, lässt sich die abgebildete Person auch als Stellvertreter eines bestimmten Menschentypus lesen – wer kennt ihn nicht, den untätigen, das Geschehen observierenden „Gaffer“? Oder verweist das Pflaster an der Hand des Protagonisten vielleicht doch auf dessen physische Beteiligung an dem Umfall? Handelt es sich um eine Art doppeltes Selbst, welches die Szenerie als Teil des Geschehens und zugleich aus der Aussenperspektive wahrnimmt? Komposition und Figur bleiben rätselhaft – bieten jedoch Platz für Projektion, Assoziation und Identifikation.

„Hochhaus“ wird 2019 in der Sammlungsausstellung „Big Picture“ ausgestellt. Gezeigt wird es aufgrund seines grossen Formats, aber auch wegen der Darstellung einer Überblickssituation. Die Sicht auf das grosse Ganze, das Oszillieren zwischen Mikro- und Makrokosmos, zwischen Realität und Illusion tauchen in Nussbaums Werk wiederholt auf. Diese kontrastierenden oder illusionistischen Effekte werden dabei häufig durch die Verzahnung von verschiedenen Medien – hier von Fotografie und Objektkunst – erzeugt oder verstärkt.

Julia Schallberger

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