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Maurice Barraud, Femme au bain turc. Das türkische Bad, ohne Jahr
Oil on canvas, 73 x 66 cm, Gemälde
Aargauer Kunsthaus Aarau / Eigentum der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Bundesamt für Kultur, Bern / Dauerleihgabe im Aargauer Kunsthaus Aarau

Das Werk zeigt die Rückenansicht einer nackten Frau von kräftiger Körperstatur, die auf einem weissen Tuch sitzt. Ihre Haare trägt sie im Nacken zu einem losen Chignon gebunden; ihren Kopf wendet sie nach links ab. Ein roter Vorhang schützt sie vor neugierigen Blicken. Im Bildhintergrund zeichnet sich ein Bassinrand ab. Das Gemälde strahlt in seiner für den Künstler typisch reduzierten Farbgebung – vorherrschend sind gelbe, orange, braune und rote Töne – Leichtigkeit und Wärme aus, die an südliche Gefilde erinnern.

Sein Urheber – der Genfer Maler, Zeichner, Grafiker und Wandmaler Maurice Barraud (1889–1954) – erlangt bereits zu Lebzeiten Anerkennung. Zunächst absolviert er eine Grafikerausbildung und besucht gleichzeitig die Ecole des Beaux-Arts bei Eugène Gilliard (1861–1921), Pierre Pignolat (1838–1913) und James Vibert (1872–1942). Barraud wendet sich ganz der Malerei zu und gründet 1914 zusammen mit seinem Bruder Gustave François (1883–1964), mit Gustave Buchet (1888–1963), Eugène Martin (1880–1954) und Emile Bressler (1886–1966) die Künstlergruppe „Le Falot“. Sie setzen sich für eine Kunst ein, die sich von einem zu stark idealisierten, ländlich geprägten Bild der Schweiz distanziert und die moderne Welt ins Bewusstsein rückt. Als besonders wichtig wird sein Aufenthalt 1918 im Tessin erachtet: Es entstehen dort Freilichtstudien, die seine Malweise entscheidend verändern, entdeckt Barraud doch dabei die durch das Licht erzeugten Farbenspiele in der Natur und gelangt zu einer authentischeren Bildsprache. Zeit seines Lebens reist Barraud viel, hält sich in Frankreich, Spanien, Algerien, Italien auf und ist abwechselnd in der Gegend von Genf sowie im Tessin wohnhaft.

Anders als viele seiner Malerkollegen wird Barraud nicht von der Kunst Ferdinand Hodlers (1853–1918) geprägt. Vielmehr bewundert er die französischen Künstler, insbesondere Henri Matisse (1869–1954), Pierre Bonnard (1867–1947) und Paul Cézanne (1839–1906). Raffaels Werke inspirieren Barraud zu mythologischen Motiven wie dem Raub Europas oder Leda, und gegen Ende seines Lebens wendet er sich auch religiösen Themen zu, stets aber spielt der Mann als Sujet eine untergeordnete Rolle – weibliche Figuren, einzeln oder in Gruppen, in Interieurs, auf dem Balkon, im Garten oder am Strand, bilden von Beginn weg sein Hauptthema. Wie kein anderer Maler seiner Generation weiss Barraud die Schönheit der Frauen auf sensible Art festzuhalten und zu verklären. Er wird von den Autoren Renée Canova und Bernard Wyder 1979 in einer Publikationsreihe zu welschen Malern sogar als „Schweizer Matisse“ bezeichnet. Am Anfang seiner Karriere bestimmen düster gehaltene Darstellungen von Frauen aus dem nächtlichen Grossstadtleben sein Schaffen. Die unzähligen Reisen wirken sich entscheidend auf die weitere künstlerische Entwicklung aus. In Barrauds späterer Malerei herrschen von Helligkeit und Wärme durchflutete Atmosphären vor. Der Künstler erarbeitet eine fein definierte Typologie eleganter Frauen, deren spezifische Gestaltung schnell wiedererkannt und ihm zugeordnet werden können. Die Frauen weisen opulente Formen, gesunde Haut und perfekt ovale Gesichter auf, und oftmals sind die Haare so frisiert, dass das Ohr sichtbar ist. Im linearen Aufbau der Kompositionen widerspiegelt sich die Wichtigkeit der Zeichnung für Barraud. Seine Darstellungen sind Resultat genau überdachter Beobachtungen. Besondere Aufmerksamkeit kommt den Posen der Porträtierten zu; Effekte und Mittel, die der Unterscheidung der Dargestellten dienen, setzt er zurückhaltend ein. Regelrecht spürbar ist Barrauds Freude an der harmonischen Komposition, die in eine friedliche, ruhige Stimmung erzeugt.

Karoliina Elmer

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