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Markus Müller, Bolide, 1968
Oil on canvas, 160 x 180 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau / Schenkung aus dem Nachlass Robert Beeli
Copyright: Markus Müller

Nahezu Ton in Ton hebt sich das ausladend bauchige Motiv, im unteren Bildteil von drei Balken in Grün-Braun eingefasst, vom dunkelgrünen Hintergrund ab. Sanft geschwungen ergiesst sich ein pastellfarbener Strahl über die rechte Seite des Objekts, der dem an sich flächenbetonten Motiv einen Ansatz von Tiefe verleiht und dabei keck die harmonische Farbkomposition akzentuiert. Das Ölgemälde „Bolide“ von Markus Müller (*1943) präsentiert sich weniger als realitätsnahes Abbild des titelgebenden Rennwagens, denn vielmehr als abstrahiertes, sphärisch schwebendes Fantasiegebilde dessen. Der Aargauer Künstler erhebt das fahrer- und radlose Auto, wie der Kritiker Fritz Billeter es prägnant formuliert, „ins Lyrische und Magische“.
Nach einer Lehre als Fotolithograf besucht Müller ab 1964 die Kunstgewerbeschule in Zürich. Im Sommer 1966 wechselt er ans Istituto Statale dʹArte in Urbino. Befreit „vom Mief der Zürcher Zeichenlehrerklasse“ beginnt er intensiv zu malen und findet seine Motive, fern des Unterrichts, mitten auf der Strasse. Seine Vorliebe gilt nun Autos, Motorrädern und Booten. Zurück in der Schweiz entstehen 1967 im Elternhaus in Suhr seine ersten „Boliden“. Im gleichen Jahr mietet er zusammen mit den Künstlern Max Matter (*1941) und Christian Rothacher (1944–2007) eine alte Fabrik am Ziegelrain in Aarau, etwas später stossen Heiner Kielholz (*1942) und Hugo Suter (1943–2013) dazu. Für Müller bietet sich damit in erster Linie die Gelegenheit, ein bezahlbares und geräumiges Atelier für seine Malerei im Mittel- und Grossformat zu führen. Obwohl jeder der Kunstschaffenden weiterhin individuell arbeitet, offenbaren sich vielfältige künstlerische Berührungspunkte, und in der Liegenschaft findet ein reger Austausch statt. Der „Ziegelrain“ avanciert zum Labor für künstlerische Experimente und wird zum Treffpunkt einer dynamischen Kunstszene, die über die provinziell geprägte Kleinstadt hinaus schweizweite Ausstrahlung gewinnt.
Während die „Ziegelrainer“ verschiedene neue Materialien und Techniken erproben, bleibt Müller vorerst der klassischen Ölmalerei auf Baumwolle, selten auch Acryl treu. In kurzer Zeit entstehen Gemälde von Autos und ihren gepolsterten Innenräumen („Interieur“, 1969, Aargauer Kunsthaus, Inv.-Nr. 2680). Von Anbeginn gilt Müllers Faszination weniger dem Fahrzeug, seiner Technik und seinen Verheissungen, als vielmehr der reinen Oberfläche, den klaren Formen und der Buntheit. Auch in seinen zeitgleich gemalten, verführerisch geschwungenen Körperdarstellungen in Bikini oder Badehose der Schweizer Firma Lahco interessiert den Künstler, gemäss seiner eigenen Aussage, immer die Hülle („Lahco“, 1970, Aargauer Kunsthaus, Inv.-Nr. 4674).
Als Vorlage für die Sujets Autos und Bademode finden sich in Zeitschriften und Zeitungen unzählige Werbeanzeigen. Diese Motive in Kombination mit der flächig-plakativen Malweise und einer bunten Farbpalette lassen Bezüge zur internationalen Pop Art herstellen. Die von Grossbritannien und den USA ausgehende Strömung findet zeitversetzt Mitte der 1960er-Jahre auch in der Schweiz Widerhall. Müller verfolgt die Entwicklung der Pop Art nicht bewusst, was rückblickend durchaus überraschen mag. Vielmehr markiert die Hinwendung zu alltäglichen Motiven für den Künstler einen persönlichen Akt der Befreiung vom damals vorherrschenden traditionell geprägten Kunstdiskurs. Gemeinsam mit Matter und Rothacher schafft Müller jeweils eigenständige und signifikante Beiträge zur Schweizer Pop Art. Wie bei vielen jungen Schweizer Kunstschaffenden ist die der Pop Art zugehörige Werkphase auch bei ihm kurz und endet ironisch-pointiert mit seinem vorläufig letzten Gemälde „Blumenstrauss“ (1970). Kurz darauf verlässt er die Ateliergemeinschaft „Ziegelrain“ und wendet sich fortan anderen Themen und Medien wie Installationen und Happenings zu.

Katrin Weilenmann

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