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Sophie Taeuber-Arp, Mouvement de lignes, trait large (dessin pour "Poèmes sans prénoms"), Um 1939 - 1941
Pastellkreide auf Papier (Wachskreide?) / Pastel crayons on paper, 34.5 x 26.3 cm, Arbeit auf Papier
© Privatbesitz, Depositum Aargauer Kunsthaus Aarau

Die vorliegende Arbeit Sophie Taeuber-Arps (1889–1943) gehört zu einer Gruppe von Kompositionen, die in ihrer Gesamtheit als konkret-künstlerische Auseinandersetzung mit der Linie einzigartig ist. Das Blatt findet sich im Werkverzeichnis von 1948 aufgeführt, das Hans Arp (1886–1966) für seine verstorbene Gattin veranlasste. Dort finden wir den Titelzusatz: „dessin pour ‚poèmes sans prénoms'“. Bei „poèmes sans prénoms“ handelt es sich um eine Gemeinschaftsarbeit von Taeuber-Arp und Arp. Es ist eines von mehreren Publikationsprojekten, welche das Künstlerpaar trotz prekärer Umstände während des Zweiten Weltkriegs realisierte. Der 1941 im Privatdruck fertiggestellte Gedichtband wird illustriert mit drei reproduzierten Linienarbeiten von Taeuber-Arp. Eine limitierte Auflage erhält zusätzlich eine Beilage von neuen farbigen Linienarbeiten.

Taeuber-Arp beginnt 1939 ihre gestalterische Arbeit mit dem Fokus auf die Linie. Wie bei „Mouvements de lignes, trait large“ anfänglich auf die gebogene, meist schwarz auf den rohen Papiergrund gezeichnete Linie konzentriert, reichert sie ihre Kompositionen sukzessive mit Farbe an, weitet das Formenrepertoire aus, erhöht den Kompliziertheitsgrad und die Ansprüche an die synthetisierende Leistung. Es entsteht eine Anzahl von über hundert Linienarbeiten. Bis zu ihrem Tod 1942 entwickelt sie den eigenen künstlerischen Umgang mit der Linie sowie deren Geschichte in der Kunst methodisch konsequent weiter.

Die Thematik der Linie beschäftigt damals wie heute Kunstschaffende ebenso wie Wissenschaftler der Kunsttheorie, Kunstgeschichte, Mathematik oder Psychologie. Sujetimmanente Differenzierungen zwischen Repräsentation und Selbstreferenzialität, Formkonturierung und Formgebung reichen zurück bis in die Antike. Mit dem Jugendstil befreit sich die Linie im Okzident wesentlich vom Motivbezug. Das Ornament verselbstständigt sich in der Tendenz zur gegenstandslosen Konfiguration. Während Henry van de Velde (1863–1957) noch eine fehlende Linienlehre reklamiert, tragen Paul Klee (1879–1940), Wassily Kandinsky (1866–1944), Kasimir Malewitsch (1879–1935) oder Alexander Rodtschenko (1891–1956) bereits in den 1920er-Jahren prominent zu deren kunsttheoretischer Integrität in der Moderne bei. Mit diesen Protagonisten beziehungsweise deren Ideengut ist Taeuber-Arp vertraut. Spätestens in ihren Skizzenheften, wovon sieben Stück in der Fondation Arp in Clamart aufbewahrt werden, manifestiert sich ihre Beschäftigung mit der Linienzeichnung im eigenen Œuvre. Jene Hefte datieren auf die Jahre 1934 bis 1942 und enthalten Naturstudien sowie abstrakte Linienkonstruktionen in Bleistift oder Farbstift.

Mit Taeuber-Arps Linienblättern liegen uns ungegenständliche Kompositionen vor, die eine Verwandtschaft mit Pflanzenstudien erst durch die Gegenüberstellung nahelegen. Letztlich repräsentieren sie vielmehr eine konkretisierende als abstrahierende Intention.

Rahel Beyerle

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