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Peter Fischli David Weiss, Charlie Parker, nachdem er Loverman gespielt hat und nackt in der Hotelhalle seine Kleider verbrennt, worauf ihn die andern nach Camarillo einliefern, 1981
Ton ungebrannt, 12 x 43.5 x 28.5 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau / Eigentum der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Bundesamt für Kultur, Bern / Dauerleihgabe im Aargauer Kunsthaus Aarau
Copyright: Courtesy the artists & Galerie Eva Presenhuber, Zurich

„Ein Genuss, diese Klarheit! Plötzlich diese Übersicht!“, ruft die Ratte in „Der geringste Widerstand“, dem Erstlingsfilm von Fischli / Weiss, in dem das Künstlerduo Peter Fischli (*1952) und David Weiss (1946–2012) als Ratte und Bär verkleidet über Glück, das grosse Geld und die Kunstwelt sinnieren. Die Aussage liefert den Titel für das Folgewerk „Plötzlich diese Übersicht“, mit dem die Künstler nicht nur den Grundstein ihrer Weltkarriere legen, sondern auch ein Referenzwerk der Schweizer Kunst der 1980er-Jahre schaffen. Die Objektgruppe ist eine Sammlung von je nach Zählung 250 bis 350 Einzelarbeiten aus ungebranntem Ton. 1981 werden 180 dieser Szenen erstmals in der Galerie Pablo Stähli in Zürich gezeigt, darunter auch jene drei Arbeiten, die das Aargauer Kunsthaus als Depositum der eidgenössischen Kunstsammlung beherbergt („Bauplatz der Pyramiden“ / „Autobahn“ / „Charlie Parker, nachdem er Loverman gespielt hat und nackt in der Hotelhalle seine Kleider verbrennt, worauf ihn die andern nach Camarillo einliefern“, alle 1981).

Die Themenvielfalt in „Plötzlich diese Übersicht“ ist gross; sie reicht von den Meilensteinen der Menschheitsgeschichte zu Alltagssituationen und -objekten bis hin zur Reihe „Beliebte Gegensätze“. In ein Unterkapitel zur Geschichte der Unterhaltungsindustrie fiele wohl „Charlie Parker, nachdem er Loverman gespielt hat und nackt in der Hotelhalle seine Kleider verbrennt, worauf ihn die andern nach Camarillo einliefern“, etwa zusammen mit „Mick Jagger und Brian Jones befriedigt auf dem Heimweg, nachdem sie I can’t get no satisfaction komponiert haben“ oder „Lex Barker schlägt in La dolce vita Marcello Mastroiani, weil er mit Anita Eckberg die ganze Nacht in Rom herumgefahren ist“. Die Szene mit Charlie Parker referiert auf die Drogensucht des grossen Jazzmusikers. Am 29. Juli 1946 sollte Parker eine Instrumentalversion der Ballade Lover Man aufnehmen, erscheint aber betrunken und mit starken Entzugserscheinungen im Tonstudio. Seine falschen Einsätze und unkontrollierten Töne finden als die „tragischsten Aufnahmen der Jazzgeschichte“ Eingang in das kollektive Gedächtnis. Zurück im Hotel erlebt Parker dann jenen Nervenzusammenbruch, den Fischli / Weiss darstellen. Die Hotelangestellten rufen die Polizei, und der Musiker lässt sich, um einer Strafanzeige zu entgehen, in die Nervenklinik von Camarillo einweisen – so lautet zumindest die Legende. Bei Fischli / Weiss sind die Fakten indes nicht überprüft. Beispielsweise liest man weitaus häufiger, dass Parker im Hotelzimmer und nicht in der Lobby ein Feuer entfachte. Die Situation ist überzeichnet. Ein in sich kauerndes Häufchen in einem Raumensemble, das wir aufgrund von Eingangstreppe, Rezeption und ausladenden Möbeln als Hotellobby erkennen, stellt Parker dar, eines daneben seine Kleider, vor einem Sessel das dahingeworfene Saxofon. Hinter der Rezeption wendet sich eine weitere Figur von der Szenerie ab, was das elende Schicksal der kauernden Figur umso erbärmlicher erscheinen lässt. Fischli / Weiss‘ Interpretation der Ereignisse in krudem Ton und ohne grosse Kunstfertigkeit steht selbstverständlich im Kontrast zur Dramatik der Geschichte. Zugleich versinnbildlicht deren Vereinfachung aber auch die Reduktion von Parkers Person auf einige wenige ikonische Bilder.

Yasmin Afschar

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