Öl auf Leinwand, 250.4 x 200.5 x 4 cm
Pascal Danz‘ (1961–2015) Malerei bewegt sich zwischen Figuration und Abstraktion und thematisiert Fragen nach der Wirklichkeit und der Möglichkeit ihrer Abbildung. Private Aufnahmen, Zeitungfotos und digitale Bilder aus dem Internet bilden das Ausgangsmaterial. Häufig greift der Künstler fotografische Besonderheiten wie Unschärfe oder Überbelichtung auf und übersteigert diese sogar. Dadurch werden Gegenstände, Menschen, Situationen und Räume verunklart und aus ihren Erinnerungsfolien gelöst. In diesen Fällen geht es weniger um die Inhaltsebene des Gezeigten, als vielmehr um die Malerei und ihr darstellerisches Potential.
In ausgewählten Werken jedoch stellt der Künstler unsere Wahrnehmungs- und Rezeptionsfähigkeit mittels kulturell, politisch oder gesellschaftlich behafteter Motive auf den Prüfstand. 2015 schafft er eine Werkgruppe, bestehend aus grossformatigen Gemälden, auf denen er Skulpturen, Masken und Figurine zeigt, die eine durch den Westen taxierte, stereotypisierende, vermeintlich «typisch afrikanische» Ästhetik widerspiegeln. Dazu zählt auch das vorliegende Bild «exotic vintage dancer» (2015). Darauf begegnen wir nicht nur einer klar erkennbaren, nahezu fotorealistischen Figurendarstellung – wir werden auch mit einem sensiblen Bildkontext konfrontiert: Auf der zweieinhalb Meter hohen Leinwand erstreckt sich das Abbild einer handwerklich geschaffenen, tanzenden Figurine mit dunklem Hautton, Baströckchen und maskenartig geschminkten Gesichtszügen. Als Vorlage diente Pascal Danz ein kleines Püppchen, das er in einer Brockenstube fand und von dem er ein fotografisches Abbild nahm. Bei dem dargestellten Motiv handelt es sich nicht um ein Einzelobjekt, sondern um einen Dekorationsartikel, der sich dem «Tiki Pop» zurechnen lässt. Bei der Tiki-Pop-Ästhetik handelt es sich um eine stilistische Modebewegung aus Polynesien, die eng mit dem Konzept und der Sehnsucht nach einem «verlorenen Paradies» verbunden ist. In den 1950er Jahren bemächtigte sich die USA diesen Darstellungsformen einer imaginierten, «tropischen Exotik». Auch in der Schweiz genoss die Tiki-Pop-Kultur Popularität, weshalb die tanzenden Figuren damals auch in den helvetischen Wohnstuben der Fünfzigerjahre zu finden waren.
Dass die Vorlage zu Danz‘ Werk eine dezidiert westliche, kolonial-exotisierende Perspektive zum Ausdruck bringt, ist unbestritten. Seinerzeit als «unbedeutender Alltagsgegenstand» verharmlost, blieb das Objekt in den Wohnungen der Bevölkerung lange Zeit unbemerkt, doch gleichsam allgegenwärtig. Eine Charakteristik, die auch dem Phänomen des Alltagsrassismus gesellschaftlich zu Grunde liegt.
Der Künstler selbst ist in Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik aufgewachsen und entwickelte dadurch ein Sensorium für prekär stereotype Sichtweisen des Westens auf die kolonialisierten Länder. Es mag ihm daher ein Anliegen gewesen sein, die Betrachtenden zu einer kritischen Reflexion anzuregen – sprich sich der Bildsprache und der Präsenz von Rassismus bewusst zu werden. Indem der Künstler die handgrosse Miniatur um das fünfzigfache vergrösserte und somit auf die gigantischen Masse eines Historienbildnisses aufblies, transferierte er einen vergessenen Miniaturgegenstand vom privaten in den öffentlichen Raum und stellte dessen Geschichte zur Diskussion. Was das Bild bei den Betrachtenden letztlich auslöst, bleibt ungewiss. Als Museum müssen wir uns aber der Möglichkeit bewusst sein, dass das Bild aufgrund seines stereotypierenden Darstellungsgehalts verletzend und retraumatisierend wirken kann. Wie bei jedem Werk gilt es daher, sich vor der Präsentation folgende Punkte bewusst zu machen: In welchem thematischen Zusammenhang wird das Werk gezeigt? Welche Aspekte und Qualitäten werden durch das Werk transportiert und durch welche Art der Präsentation fühlt sich ein diverses Publikum eingeladen?
Mit «exotic vintage dancer» wird uns vor Augen geführt: Kunst ist immer vielschichtig und steht niemals für sich allein. Bilder können machtvoll sein und treten, in dem sie gezeigt werden, immer in Beziehung zum zeitlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Kontext. Sie erfordern daher zu jedem Zeitpunkt die Bereitschaft und Sensibilität, neu bewertet und angemessen vermittelt zu werden.
Julia Schallberger, 2023