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Jürg Stäuble, Ohne Titel, 1988
Kartonrohr, Eisenglimmer, 40 x 500 x 30 cm, Plastik/Skulptur
Aargauer Kunsthaus Aarau

1948 in Wohlen im Kanton Aargau geboren, lebt und arbeitet Jürg Stäuble seit 1970 in Basel. Das Schaffen des Bildhauers zieht weite Wirkungskreise: Der langjährige Dozent an der Hochschule für Gestaltung in Basel macht in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen sowie Kunst-und-Bau-Projekten auf sich aufmerksam. Mit dem Aargauer Kunsthaus verbindet Stäuble nicht nur sein Geburtsort. Eine der umfassendsten Ausstellungen seiner Arbeiten fand 1994 hier statt, zudem befinden sich in der Sammlung neben dem titellosen Wandobjekt von 1988 rund ein Dutzend weiterer Werke. Ende 2014 erfährt das Konvolut durch die Schenkung zweier raumgreifender Objekte („Zwischenstücke“ und „Block vertikal“, beide 2014) eine triftige Ergänzung.

Die Ursprünge von Stäubles Arbeit sind in der Minimal Art zu suchen. Er gehört Mitte der 1970er-Jahre zu den Ersten in der Schweiz, die sich mit der in den USA aufkommenden Konzeptkunst auseinandersetzen. Insbesondere der von der Minimal Art geforderten Interaktion mit dem Raum begegnet Stäuble mit grossem Interesse und schafft in der Folge eine Reihe ortsspezifischer Interventionen, die in ihrer konzeptuellen Strenge keine Zweifel über ihre geistigen Väter lassen. Blicken wir weiter auf das Schaffen der 1980er-Jahre – also jener Dekade, in der auch das Wandobjekt aus der Sammlung des Kunsthauses entsteht –, erkennen wir eine zunehmende Autonomisierung des Objekts gegenüber dem Raum. Auch die anfängliche Betonung des formalen und geometrischen Konzepts tritt mehr und mehr zurück zugunsten einer emotional-sinnlichen Dimension.

Das Wandobjekt ist Teil einer Gruppe von Objekten, die Stäuble Ende der 1980er-Jahre aus Karton und Flugzeugsperrholz herstellt und die sich durch ihre schwarze Beschichtung auszeichnen. Über fünf Meter erstreckt sich die Längsform, die aus einem Kartonrohr gefertigt und mit Grafit eingefärbt ist, wobei sie um einige Winkelgrade aus der Waagrechten kippt. Zudem ist sie um die eigene Achse verdreht und mag so den Anschein eines (unbekannten) Flugobjekts in sanftem Landeanflug erzeugen. Obwohl die Form nicht entschlüsselbar ist, besticht sie durch einen hohen Grad an Präzision. Sie basiert auf einer komplexen Konstruktion, der verschiedene Zeichnungen und Modelle vorangingen und für die ausführliche Planzeichnungen existieren. Aus diesen Skizzen erkennen wir, dass die Formen nicht, wie man auf den ersten Blick meinen könnte, aus einem Guss gefertigt sind, sondern sich aus vielen Teilstücken zusammensetzen, die verleimt, glatt geschliffen und schliesslich mit Grafit kaschiert wurden. Die Skizzen und Zeichnungen bringen uns zu einem weiteren wichtigen Aspekt in Stäubles Arbeit: die Bedeutung der Linie. Wir begegnen der Linie nicht lediglich in den Zeichnungen, sie ist auch in den Modellen und Raumplastiken tragendes Motiv; sie ist, so Kunsthistoriker Stephan Kunz, „formale Spur und konzeptuelles Gerüst“. Bei unserem Wandobjekt gibt sich die Linie in den Konturen präzis und klar zu erkennen. Sie verleiht dem Objekt die charakteristische Stromlinienform und damit nicht nur eine gewisse Naturnähe, sondern auch die Leichtigkeit und Eleganz, welche die Arbeit trotz ihrer grossen Ausmasse versprüht. Aus genau diesem Spannungsfeld „zwischen rein konstruktiver Formgebung und organisch-ornamentalen Vorstellungen“, wie es Stephan Kunz formuliert, schöpfen die Arbeiten von Stäuble ihre Virtuosität – ein sanft-sinnlicher Reduktionismus, dem der Künstler bis heute treu geblieben ist.

Yasmin Afschar

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