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Félix Vallotton, Femme à l'écharpe jaune, 1909
Oil on canvas, 100.5 x 81.5 cm, Gemälde
Aargauer Kunsthaus Aarau / Schenkung der Freunde der Aargauischen Kunstsammlung

Frauen sind omnipräsent im Schaffen von Félix Vallotton (1865–1925). Als Passantinnen mit ausladenden Hüten bevölkern sie die frühen Strassenszenen; später begegnen wir ihnen in bürgerlichen Interieurs, als mythologische Figuren oder in stilisierten Aktdarstellungen. Hinzu kommen unzählige Bildnisse und Porträts, teilweise in Innenräumen, teilweise vor neutralem Hintergrund, so wie bei „Femme à l’écharpe jaune“ aus dem Jahr 1909. Das Gemälde gelangt 1959, im Gründungsjahr des Museums, mithilfe der Freunde der Aargauischen Kunstsammlung in das Kunsthaus. Zusammen mit „Buste à l’armoire“ (1914, Inv.-Nr. 305) repräsentiert es in der kleinen Vallotton-Werkgruppe des Aargauer Kunsthauses die Gattung der weiblichen Bildnisse.

Gemeinsam ist den Frauendarstellungen Vallottons ihre irritierende Distanziertheit. Sie zeugen von der präzisen Beobachtungsgabe des Künstlers, der den weiblichen Körper ungeschönt wiedergibt, Fehlstellen und Asymmetrien belässt, bisweilen gar betont. Die Art und Weise, wie die weiblichen Figuren plastisch ausmodelliert sind, erinnert an Jean-Auguste-Dominique Ingres (1780–1867), für den Vallotton grosse Bewunderung hegt. Vallottons Blick ist aber um ein Vielfaches schonungsloser und kühler. Seine Figuren orientieren sich nicht mehr an den klassizistischen Lehren und deren Idealen von Proportion und Form, sondern suchen nach neuen Ausdrucksformen. Wie unmittelbar Vallottons Ausführungen dabei auch scheinen, so in sich gekehrt muten die dargestellten Frauen an – geheimnisvoll und unnahbar wie die Frau mit gelbem Schal, deren Blick sich durch das leichte Schielen dem Betrachter immer wieder von Neuem entzieht.

Das Bild weist eine für Vallotton charakteristische Farbstimmung aus Gelb-, Grau- und Violetttönen auf. Die hell gehaltenen, pastelligen Farben schaffen eine Atmosphäre kühler Distanz, die einen Kontrast bildet zur grossen Klarheit und Präzision der Darstellung. Die kleinsten Details der Gesichtszüge dieser unbekannten Frau, die für zwei weitere Werke Modell stand, sind festgehalten – bis hin zu den feinsten Unregelmässigkeiten. Aber nicht nur die Physiognomie der Frau weist Asymmetrien auf, ihre gesamte Haltung wirkt seltsam verspannt und unnatürlich. Die Schultern sind hochgezogen, die Arme, über die der gelbe Schal fällt, eigentümlich geknickt und die Hände verkrampft. Die Körpersprache der Figur liesse sich als Ausdruck innerer Spannungen und Konflikte deuten. Sie trägt auch zur leisen Melancholie bei, welche die Figur trotz des angedeuteten Lächelns ausstrahlt. Das Motiv der Halbfigur, in der Hauptachse vor einer neutralen Wand stehend oder sitzend, variiert Vallotton zwischen 1907 und 1913 mehrmals, auch als Akt. Beliebte Requisiten sind dabei Stoffe, Umhänge und Tücher, die, wie Hedy Hahnloser, die erste Biografin und eine wichtige Mäzenin Vallottons, feststellt, zur Charakterisierung der Figuren beitragen: „Dann kann ein und derselbe Shawl (…) dazu dienen, alle Stufen des seelischen Zustandes einer Frau zu erhärten, sei es durch die Art seines Faltenwurfs, sei es durch die Verschiedenheit von Ton und Farbe.“

Yasmin Afschar

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