Installation,
Die künstlerische Zusammenarbeit der Schwestern Claudia und Julia Müller (*1964 und 1965) beginnt im gemeinsamen Atelier in Basel, das die beiden 1991 beziehen. Claudia Müller kehrt damals aus Düsseldorf zurück, wo sie Kurse an der dortigen Kunstakademie besucht hat. Das erste gemeinsame künstlerische Werk und daran anschliessend der Entschluss, fortan als Künstlerpaar zu arbeiten, datiert auf 1992. Das Schaffen von Claudia & Julia Müller umfasst die Medien Installation, Video, Wandzeichnung und Zeichnung auf Papier, wobei Letzteres prägend ist für das gesamte künstlerische Vorgehen. Schöpft das frühe Schaffen seine Inspiration vorwiegend aus dem nahen Umfeld der Schwestern, so weitet sich der Radius der Recherche gegen Ende der 1990er-Jahre immer mehr aus. Neben dem persönlichen Fundus an fotografischen Bildvorlagen finden vermehrt Produkte der Medienwelt Eingang in die Arbeit und mit ihnen auch gesellschaftspolitische Themen. Die zugrunde liegende Stossrichtung bleibt indes immer die gleiche. Im Zentrum des Interesses stehen menschliche Beziehungen, die Claudia & Julia Müller auf mannigfaltige Art und Weise thematisieren.
Die Videoinstallation „Idylls“ gehört zu den ersten Arbeiten, in denen Claudia & Julia Müller die Medien Video und Zeichnung verbinden. Zentraler Blickpunkt ist eine mit dem Boden bündige Projektion, auf der Zeichnungen wechselnder Familienkonstellationen einander überblenden. Umgeben von Wolkenstreifen oder Astgewirr sehen wir alternierend ein Ehepaar mit Hund, dann die Ehefrau alleine, das Ehepaar mit Hund und Kind, die gleiche Frau mit einem anderen Mann, der afrikanische Gesichtszüge trägt, dieses Paar mit Baby und einem älteren Mädchen, dann mit einem Jungen und schliesslich wieder der europäisch aussehende Mann aus der ersten Einstellung mit der Frau und einem Blumenstrauss im Arm. Die Videozeichnung wird auf eine an die Wand lehnende Tafel projiziert, hinter ihr breitet sich eine grosse Wandzeichnung aus. Diese stellt ein Ornament aus Baumwipfeln dar, das je nach dem, wo die Arbeit ausgestellt wird, unterschiedliche Farbigkeiten und Grade der Abstraktion annehmen kann. In guter Sichtdistanz zur Projektion ist eine Sitzbank positioniert mit folgender Inschrift: „Die Welt sah so leicht aus, so bläulich, so sorgenlos. Höchstens glich ein feiner Dunst am Himmel einer Art Kummer, aber der Kummer selbst machte sich nicht viele Gedanken.“ In diesem Text von Robert Walser kommt jene leise Melancholie zum Ausdruck, die der gesamten Installation innewohnt: Die „Idylle“, die uns Claudia & Julia Müller hier präsentieren, weist Brüche auf. Die Familienmitglieder lächeln zwar alle freundlich für die Kamera, ihre Gesichtszüge sind aber emotionslos und blutleer. Im fortdauernden Verschwinden und Wiederauftauchen ist die Fragilität jeder menschlichen Beziehung versinnbildlicht und ebenso die Schwierigkeit, die klassischen Vorstellungen von Familie hinter sich zu lassen.
Yasmin Afschar