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Jacques-Elie-Abraham (Abram) Hermanjat (Hermenjat), Mittagsruhe (recto), 1862 - 1924
Öl auf Jute, 70 x 63 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau

Obwohl Jacques-Elie-Abraham Hermanjat (1862–1932) während Lebzeiten zu den modernsten Malern zählte und sich in den wichtigsten künstlerischen Organen der Eidgenossenschaft aktiv beteiligte, ist er heute wenigen Personen ausserhalb der Kreise von Fachleuten und Sammlern ein Begriff. Einer der Gründe für das unangemessene Schweigen um sein Œuvre scheint die Gleichsetzung seines Schaffens mit dem Waadtländischen – der Kunstkritiker Paul Budry (1883–1949) bezeichnete ihn aufgrund seiner Rolle als Lehrer an der Ecole cantonale de dessin (1922–1932) als „Vater der waadtländischen Malerei“. Seine zahlreichen Stilwechsel und seine Namensänderung wirkten sich wohl ebenso nachteilig auf seine Rezeption aus.

Nach Abschluss der Genfer Kunstschule unter Auguste Baud-Bovy (1848–1899) und Barthélemy Menn (1815–1893) hält sich Hermanjat zwei Jahre zwecks Studien in Nordafrika auf, 1893 bis 1896 schliesst ein weiterer Aufenthalt an. Zurück in seiner Heimat widmet er sich der Bergmalerei, die er aber zugunsten der intimeren Landschaft um den Genfersee aufgibt. Diese erfüllt eher seine Voraussetzungen und avanciert zum zentralen Sujet seiner Malerei. Er wendet sich zwar auch den klassischen Gattungen zu – Porträt, Selbstbildnis, Akt, Stillleben, Genreszenen und in seinen letzten Jahren auch religiöse Kompositionen –, aber am freiesten fühlt sich Hermanjat in der Darstellung der Landschaft. Wesentlich ist ihm die Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit, deren Wahrnehmung er durch das Mittel der Malerei noch intensivieren kann.

Angesichts Hermanjats biografischem Hintergrund – sein Vater ist Landwirt und er wächst in einem agrarisch geprägten Gebiet auf – erstaunt es kaum, dass die ländliche Thematik und Darstellungen von Bauern zahlreich auftreten, da der Künstler sich mit der bäuerlichen Welt identifiziert. „Mittagsruhe“ zeigt eine sommerliche Landschaft in gedämpften Tönen, in deren Vordergrund sich zwei männliche Figuren in den Schatten eines Baumes gelegt haben. Hinter ihnen erstreckt sich eine blühende Wiese, die den Blick in die Tiefe zu einem fein angedeuteten Gewässer und einem Gebirgszug führt. Mit den divisionistisch senkrecht, waagrecht und diagonal gesetzten Pinselstrichen rhythmisiert der Künstler die Bildoberfläche und verleiht ihr durch die Farbsetzung Leben. Hermanjat gilt als bedeutender Erneuerer der waadtländischen Malerei anfangs des 20. Jahrhunderts und als einer der wenigen Vertreter des Fauvismus in der Schweiz. Er ist kein Theoretiker, setzt sich aber zeitlebens für die Sache der Malerei ein, denn ihm ist bewusst, dass sie nicht mehr für die Abbildung der Realität einstehen muss, sondern neue Autonomie gewinnt. Hermanjat macht sie zum Thema seiner Kunst: Er nimmt sich in der Farbgebung grosse Freiheiten und zieht die subjektive Palette dem Lokalkolorit vor. Interessant ist bei der vorliegenden Komposition, dass sie Bezug zu zwei prägenden Vorbildern Hermanjats, Ferdinand Hodler (1853–1918) und Giovanni Segantini (1858–1899) nehmen, in deren Œuvre das Motiv des ruhenden Bauern bereits aufgetreten ist. Diese Vorbilder dienen Hermanjat als Anregung für seine Darstellung einer ländlichen Mittagspause.

Karoliina Elmer

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