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Flavio Paolucci, Ohne Titel, 1967
Mischtechnik auf Leinwand, 150 x 135.6 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau / Schenkung Flavio Paolucci
Copyright: Flavio Paolucci
Fotocredit: Foto Studio Job, Massimo Pacciorini-Job

Ein rätselhaftes Bild. Über die Hälfte ist in monochromem Schwarz gehalten, am unteren Bildrand erscheint eine halbrunde Form in fleischfarbenem Rosa. Ein Textilstück mit Spitzen – vielleicht ein Strumpf oder ein Unterkleid – ist darauf angebracht und tropfenförmige Gebilde steigen daraus empor. Ein letztes Element ist die orange bis weissliche runde Fläche, die im frei gebliebenen Rechteck des Stoffes nach unten drängt. Eine Kombination von Fragmenten, die zusammen keine schlüssige Geschichte erzählen wollen.

Das Werk “Ohne Titel“ von Flavio Paolucci (*1934) wurde vergangenes Jahr in der grossen Ausstellung Swiss Pop Art im Aargauer Kunsthaus gezeigt. Typisch für die Pop Art ist die Integration von Objekten, Konsumgütern oder Gebrauchsgegenständen in die Bildwelt. Manchmal rein motivisch, überführt in Malerei, manchmal aber auch als tatsächliches Gebilde, direkt auf die Leinwand geklebt, mit dem Ziel, die Grenzen zwischen Kunst und Alltag aufzulösen. Paolucci interessierte sich für diese Thematik, die Wiederverwertung von vorgefundenem Material, wie sie, mehr noch als die Pop Art, namentlich Neo Dada und Nouveau Réalisme praktizierten. So schuf er zwischen 1967 bis 1969 mit Textilien kombinierte Acrylgemälde, die trotz der integrierten Objekte eine flächige Wirkung haben. Die Farben sind leuchtend, die Formen abstrakt, eher rund und geschwungen, teilweise fliessend. Paolucci, der sich selbst weniger als Teil der Pop-Art-Bewegung sieht, denn als von ihr beeinflusst, nennt die beiden Künstler Heiner Kielholz und Robert Rauschenberg als Referenzpunkte für sein Schaffen. Beide blieben sie der Malerei verbunden, auch wenn sie durchaus konzeptuelle Ansätze verfolgten.

In den nachfolgenden Jahrzehnten veränderte sich Paoluccis künstlerisches Schaffen. Anklänge an die Arte Povera und an eine konzeptuelle Arbeitsweise machten sich bemerkbar. Es entstanden Werke aus naturnahen Materialien, poetische, metaphorische Arbeiten, die unsere Wahrnehmung sensibilisieren. Die unterschiedlichen Materialien, die nicht immer sind, was sie vorgeben zu sein, die Gegensätze von Natur und Zivilisation, die Frage nach dem Zusammenhang der einzelnen Teile – allem haftet etwas Geheimnisvolles an.

Was viele Arbeiten Paoluccis verbindet, ist ihre Zusammensetzung aus völlig unterschiedlichen Elementen und das Mysterium ihrer Beziehung zueinander. Alleine sind sie Fragmente, von einem grossen Ganzen losgelöste Bruchstücke, die sich neu arrangieren. Sie mögen nicht zusammenpassen, doch genau darin besteht ihr Reiz. Durch ihr Zusammenfügen entsteht eine völlig neue Erzählung. Ob diese dann von extraterrestrischen Vorkommnissen handelt (aufsteigende Kometen im schwarzen Raum, unbekannter rosa Planet), erotische Konnotationen beinhaltet (Spitze, Strumpf,
Unterwäsche) oder von Fortpflanzungsvorgängen berichtet (Spermien, befruchteter Leib, Eizelle), ist dabei zweitrangig.

Bettina Mühlebach, 2018

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