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Leiko Ikemura, Ohne Titel (Liegende), 1996
Kohle und Pastell auf Papier, 46 x 29 cm
Aargauer Kunsthaus, Aarau / Schenkung der Freunde der Aargauischen Kunstsammlung (2024)
Copyright
Fotocredit: Ullmann Photography (Timo Ullmann)

Als kostbare Beigabe zum Ölbild «With Blue Miko in Black» (Inv. 8815) hat Leiko Ikemura (*1951) den Freunden der Aargauischen Kunstsammlung, dem Förderverein des Aargauer Kunsthauses, drei Zeichnungen aus demselben übergeordneten Zyklus der «Girls» geschenkt. Damit hat sie ihrer Anerkennung für das kontinuierliche Bestreben, sie in Aarau mit einer repräsentativen Werkgruppe vertreten zu wissen, nicht nur durch die Freigabe der 1997 entstandenen, ihr wichtigen Arbeit auf Leinwand Ausdruck verliehen. Auch die von ihr selbst getroffene Auswahl der Werke auf Papier, die ganz am Anfang des Zyklus stehen und damit dessen Nucleus sind, macht die Geste besonders.

Die drei Blätter datieren alle von 1996, teilen dieselbe Technik und wurden im Hochformat verwendet. Auch motivisch bilden sie eine Einheit, denn jedes von ihnen zeigt eine liegende weibliche Figur mit halblangen schwarzen Haaren. Gesichtszüge sind nicht zu erkennen, trotzdem vermitteln die mädchenhaften Gestalten Intimität. In ein ärmelloses blaues Oberteil und einen bauschigen roten Glockenrock gekleidet, liegen sie mit angewinkelten Armen da, die Hände an Kinn, Wange oder Stirn geführt. Damit sind die Gemeinsamkeiten aufgezählt und es beginnt sich anhand von feinen Nuancen herauszubilden, was Ikemuras zeichnerisches, malerisches und plastisches Schaffen so unverwechselbar macht: das Andeutende, Leise und emotional Berührende. Jedes Blatt entwirft dabei seinen eigenen Assoziationsraum. Bezogen auf die Bühnen, welche die Künstlerin ihren jungen Protagonistinnen bereitet, ist dies wörtlich zu nehmen. Sparsamste Mittel – eine wegkippende Linie und einige wenige quer dazu angesetzte Schraffuren – genügen, um die knapp gehaltene Verortung in unterschiedliche Deutungsrichtungen zu lenken. Einmal scheint die Szene am Boden stattzufinden, direkt vor einer Wand; ein andermal könnte es die Kante einer Liege sein, oder aber der Einbezug eines Kissens lässt beide Optionen offen. Mit dem Kissen ist zudem ein Element im Spiel, das die Darstellung lebensnah macht, während es gleichzeitig dem Psychologischen Raum gibt. Es versetzt uns an den Übergang vom Wachen zum Träumen, aber auch in weltabgewandte Gemütszustände voller Kummer, Einsamkeit oder Trotz.

In den Figuren selbst kondensieren sich diese Eindrücke und verlocken zum Nähertreten – bei gleichzeitiger Sorge, die Stille und Introvertiertheit zu stören. Die Konturen der Liegenden hat die Künstlerin zunächst nur mit tastender, feiner Linie angelegt, mehr Hauch als Körper. Eine gewisse Verfestigung ergibt sich erst durch die kolorierten Partien. Auch diese sind aber nur an wenigen Stellen deckend aufgetragen und wahren auf diese Weise das Vage und Zarte der Schlummernden. Einen rätselhaften Kontrast dazu bildet die Körperhaltung, welche die Mädchen auf zwei der drei Blätter einnehmen. Fast scheint es, als seien sie einfach umgekippt, so wie dies auch bei einigen Liegenden oder Schlafenden aus Terrakotta der Fall ist, die 1997 entstehen. Hier wie dort behalten namentlich die Röcke und die Haare ihr Volumen. Zu den Plastiken hat man daher angemerkt, die feinsinnig glasierten Hohlkörper seien wie Gefässe. In der Leerform, die später auch die Köpfe erfasst, klingt auf diese Weise Ikemuras Verständnis derselben als durchlässige Sphäre an, wo das Ich und die Aussenwelt sich bei aller Zurückgezogenheit verbinden.

Astrid Näff, 2025

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