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Dieter Roth, Selbstbildnis als Loch, 1973 / 1975
Serigrafie überarbeitet, 5 Farben, auf weissem Karton, 50 x 70 cm, Gemälde
Aargauer Kunsthaus Aarau

Selbstbildnisse sind in fast allen Schaffensphasen des Künstlers Dieter Roth (1930–1998) zugegen. Sie werden mit bildnerischen Mitteln in Zeichnungen, Objekten, Filmen und Fotografien erzeugt oder in autobiografischen Texten ausgearbeitet. Manchmal ironisch, oft auch unerbittlich werfen sie Schlaglichter auf Roths Person, auf sein Tun sowie seinen Alltag und verweisen damit auf dessen Auffassung von Kunst und Leben als ein untrennbares Ganzes. Das Aargauer Kunsthaus widmet diesem Aspekt in Roths Schaffen 2011 eine umfassende Ausstellung mit dem Titel „Selbste“. Auch im Bestand an Roth-Werken in der Sammlung des Kunsthauses bildet das Selbst ein wiederkehrendes Thema, ganz explizit etwa in der Schokoladenfigur „P.O.TH.A.A.VFB (Portrait of the artist as Vogelfutterbüste“, 1968), in „Selbstbildnis als Vorspiel zu traurigem Zauber“ (1974–1976) oder im „Selbstbildnis als Loch“ (1973/75). Für das letztere Werk greift Roth auf die gleichnamige Druckserie zurück, die der Hamburger Kunstverein 1972 in einer Auflage von hundert Exemplaren herausgegeben hat, und überarbeitet ein Blatt aus der Serie mit einer seiner charakteristischen „Schnell-Zeichnungen“. Zu sehen ist der Künstler von hinten, stark schematisiert und kahlköpfig mit Hut, und zwar in dreifacher Ausführung, jeweils in unterschiedlicher Grösse. Die kleinste Silhouette wird beim fünffarbigen Siebdruck gänzlich ausgespart, die nächstgrössere baut sich im Matrjoschka-Prinzip rundum auf. Sie ist mit horizontalen Streifen bedruckt, wohingegen die grösste Form sich weitgehend in der umgebenden bunten Gitterstruktur verliert. Der karierte Bildgrund gibt den Rhythmus vor für die farbigen Streifen. Die Mittelachse, an der die schablonenhaften Figuren ausgerichtet sind, teilt das Blatt in eine rechte Bildseite, in der blaue waagrechte Streifen dominieren, und eine linke, in der diese Streifen rot sind. In der nachträglich angebrachten Zeichnung nimmt Roth die vorhandenen Elemente auf, betont Umrisslinien und fügt schwer lesbare Bleistiftkritzeleien dazu, die mit Blick auf zeitgleich entstehende Zeichnungen als Ausdruck einer emotionalen Verfassung gelesen werden können.

Nicht zufällig erinnern die Umrissformen der kleinsten, gänzlich ausgesparten Figur an ein Schlüsselloch. Roth stellt sich selbst als Negativform dar, als Leerstelle oder eben als Loch, wie es im Titel heisst. Solchen wenig schmeichelhaften Selbstbezeichnungen begegnen wir in seinen Arbeiten immer wieder, insbesondere im druckgrafischen Werk der 1970er-Jahre, in dem das Selbstporträt eine herausragende Rolle einnimmt. Da gibt es etwa das „Selbstbildnis als Niemand“, das „Selbstbildnis als Idiot“, … „als Nachttopf (von hinten)“, … „als Hundehauf in Stuttgart“ oder … als „Portion grünen Salates“. Die Intention scheint dabei immer dieselbe. Roth zielt in der Vielfalt der Selbstbilder darauf ab, die Illusion zu zerstören, dass die Essenz des Ichs zu finden oder bildnerisch darstellbar sei. Vielmehr konterkariert er mit seiner verweigernden Haltung, die sich sowohl in Motivwahl als auch Titelgebung widerspiegelt, jegliche Form von authentischer Selbstdarstellung.

Yasmin Afschar

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