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Karl Otto Hügin, Parkbild (Landschaft mit Reiter), 1921
Öl auf Leinwand, 99 x 99 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau / Schenkung der Freunde der Aargauischen Kunstsammlung

Das Schaffen des in Trimbach und Basel aufgewachsenen Karl Otto Hügin (1887–1963) ist heute nur noch wenigen ein Begriff. Bekanntheit erlangt der Autodidakt zu Lebzeiten vor allem als Schöpfer von rund dreissig Fresken und Mosaiken an öffentlichen Gebäuden, die in den 1920er- bis 1940er-Jahren entstehen. Vergleichsweise spät rückt Hügins eigenwillige Tafelmalerei ins Bewusstsein, die der Künstler ab Ende der 1910er-Jahre entwickelt. Aus diesem Œuvre verfügt das Aargauer Kunsthaus über eine grössere Werkgruppe unterschiedlicher Schaffensphasen. Das vorliegende Gemälde gelangt 1978 dank einer Schenkung der Freunde der Aargauischen Kunstsammlung gemeinsam mit zwei weiteren Werken in die Bestände des Museums. Die Verbindung zwischen Hügin und dem Aargauer Kunsthaus reicht allerdings bis in die frühen 1950er-Jahre zurück: Der Maler pflegt ab diesem Zeitpunkt engen Kontakt zum damaligen Konservator Guido Fischer, der Hügin 1960 seine erste Retrospektive widmet. Sie bleibt bis heute eine der wenigen Einzelausstellungen des Künstlers.

Wie das Gemälde „Dorfidyll“ (1918) zählt auch das „Parkbild (Landschaft mit Reiter)“ zu Hügins malerischem Frühwerk. Thematisch nähert sich der Künstler über einige Vorstadtszenen allmählich dem städtischen Raum an, der als Motiv im weiteren Schaffen dominant bleibt. Dem vorliegenden Gemälde scheint dabei eine Scharnierfunktion zuzukommen – in ihm verschmelzen urbane und rurale Sphären zu einer ambivalenten Szenerie. Bestimmt wird die Komposition durch die explizite Teilung in unterschiedliche Bildebenen: Im besonnten Hintergrund zieht wie eine traumhafte Erscheinung ein Reiterpaar vor einer südlich anmutenden Stadtlandschaft mit Hirtengruppe vorbei. Beobachtet wird die Szene von einer weiblichen Rückenfigur sowie einem Hund von einer schattigen Baumzone im Vordergrund aus. Die deutlich tiefer liegende Zone wird als abgedunkelter Zuschauerraum mit Blick auf ein Bühnengeschehen lesbar. Die beidseitig auskragenden Baumelemente, die einen Teil des Hintergrunds verdecken, fungieren in dieser Konstellation gleichsam als Vorhänge, die Rückenfigur als Stellvertreter des Theaterzuschauers oder des Bildbetrachters und die Reiter als Akteure eines inszenierten Plots. Darauf deutet auch die Tatsache hin, dass die Figuren keine individuellen Züge tragen, sondern als Typen aufgefasst sind und als solche symbolhaften Charakter haben.

Hügin entwickelt in den frühen 1920er-Jahren eine eigene Figuren- und Motivwelt, die zur Grundlage für sein weiteres Schaffen wird. Auf bestimmte „Prototypen“ greift er in den kommenden vierzig Jahren immer wieder zurück, darunter sowohl die Reiterfigur wie auch die Beobachterfigur. Letztere verweist auf Hügins Interesse für die Welt der Bühne, für ihre Akteure und Zuschauer, die er in zahlreichen Gemälden – meist expliziter als im vorliegenden Gemälde ¬– zur Darstellung bringt, etwa anhand von Theater- und Zirkusszenen. Die Faszination für diese Motive teilt Hügin mit zahlreichen anderen Schweizer Malern in der Zwischenkriegszeit, darunter Maurice Barraud (1899–1954), Louis Moilliet (1880–1962), Wilhelm Gimmi (1886–1965) und insbesondere René Auberjonois (1872–1957). Mit Letzterem eint Hügin auch das Interesse am Pferdesport, das sich in der wiederkehrenden Gestalt des Reiters manifestiert. Im „Parkbild“ verdichten sich die beiden Motivkreise der Bühne und des Sports zu einer einzigen Bildrealität.
Verschobene Sicht- und Bildebenen sowie das Motiv des Beobachtens sind ausserdem typische Stilelemente der Neuen Sachlichkeit und des Magischen Realismus. Mit den Vertretern dieser Strömungen verbindet Hügin die Sympathie für den einsamen Menschen im modernen Alltag, die sein gesamtes Schaffen prägt. Das isolierte Dasein des Menschen findet hier seinen Ausdruck in der Rückenfigur, die vom beobachteten Geschehen ausgeschlossen eine leise Melancholie offenbart.

Raphaela Reinmann

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