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Urs Lüthi, The End. Selbstporträt aus der "Serie der reinen Hingabe", 1987/1988
Acryl auf Leinwand, 150 x 200 cm, Gemälde
Aargauer Kunsthaus Aarau

Als Urs Lüthi (*1947) sich um 1980 unversehens der Malerei zuwendet, sorgt er bei seinem Publikum für grosse Verwunderung. Zwar besinnt er sich mit der Abkehr von der Fotografie an die Anfänge seiner Karriere, die er mit Bildern im Stil der Pop-Art begonnen hat; bei den Liebhabern seiner Kunst löst diese Umorientierung aber primär Kopfschütteln aus. Gerade noch hat er mit seinen fotografischen Selbstporträts einige seiner bis heute berühmtesten Werke geschaffen – sein Beitrag zur Etablierung der Fotografie als künstlerisches Ausdrucksmittel ist nicht zu unterschätzen. Für Lüthi aber bedeutet das Abwenden vom „Metier des fotografierenden Selbstdarstellers“, wie es der Kunstpublizist Max Wechsler formuliert, lediglich eine formale Entscheidung und keine Änderung der inhaltlichen Stossrichtung. Im Gegensatz zur zeitgleich aktuellen Praxis der „Neuen Wilden“, die einen aus dem Inneren schöpfenden, intuitiv-freien Malgestus propagieren, finden in Lüthis Malerei die unterschiedlichsten Stile und Techniken ihren Platz; seine Malerei ist überlegt, inszeniert und vom gleichen ambivalenten Grundklima zwischen Sehnsucht und Ironie getragen, das auch die Fotografien prägt.

In der umfangreichen Werkgruppe von Urs Lüthi, die sich in der Sammlung des Aargauer Kunsthauses befindet, ist die Malerei mit drei Werken repräsentiert: My fairy tales (1982), Selbstporträt aus der Serie Telephonzeichnungen (1985) sowie The End. Selbstporträt aus der Serie der reinen Hingabe (1987/88). Die letzteren beiden Titel verdeutlichen, wie Lüthi die Möglichkeiten der Selbstdarstellung auch in der Malerei auslotet und, ohne sein unmittelbares Abbild zu bemühen, das Prädikat Selbstporträt freimütig allerlei Bildserien zuordnet. Es gibt beispielsweise Selbstporträts aus der Serie der grossen Gefühle, … der Traumpaare, … der grossen Abenteuer, … der vertauschten Träume oder … der Bilder für eine italienische Bar. Seine Ausstellung 1986 im Kunstmuseum Winterthur, die erstmals ausschliesslich der Präsentation der Gemälde gilt, nennt er folgerichtig Sehn-Sucht (Facetten eines Selbstporträts). Grosse Gefühle, allgemeinmenschliche Sehnsüchte, aber auch ihr Scheitern – das sind die Themen, die Lüthi mit den bisweilen rührseligen Titeln ansprechen will. Kaum besser könnte da das Motiv des Meeres passen, das Lüthi für die ab 1985 entstehenden Selbstporträts aus der Serie der reinen Hingabe wählt, deren letztes Bild (The End) die Kunsthaussammlung beherbergt. Es zeigt wie alle anderen Gemälde der Serie den Blick auf die von Wellen rhythmisierte Oberfläche des Meeres, blau in blau, einzig durchbrochen durch das warme Licht, das durch die Wolken am Horizont bricht und Reflexionen auf den Wellenkuppen im Vordergrund erzeugt. Mittendrin, in grossen Lettern: „THE END“. Zu Ende ist nicht nur Lüthis Bildserie, aus sind auch die darin produzierten Illusionen – jener „Film“, der uns irgendwo zwischen Schönheit und Kitsch in seinen Bann zieht und zugleich im Ungewissen lässt, ob wir den verheissungsvollen Bildern nicht gar zu einfach auf den Leim gegangen sind. Längst sind die grossen Gefühle Hoheitsgebiet der Unterhaltungsindustrie, scheint Lüthi uns mit seinem Kommentar aus der Welt des Kinos warnen zu wollen. Kinematografisch aufbereitet, führen wir uns die Emotionen in wohl bekömmlichen Dosen zu, wogegen Lüthi seine Kunst stellt.

Yasmin Afschar

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