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Friedrich Kuhn, Rêve helvétique, 1964
Öl, Deckfarbe, Lack und Tusche auf Holz, 240 x 528 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau / Ankauf mit einem Beitrag der Nationalbank

Über das Leben von Friedrich Kuhn (1926-1972) ist bis heute wenig bekannt. Geboren wurde er in Gretzenbach (SO) als Sohn eines Holz- und Steinbildhauers, der seiner Familie ständige Wohnsitzwechsel in der Schweiz zumutete. Nach dem 2. Weltkrieg wurde auch Friedrich zum sprichwörtlichen Rolling Stone und bereiste Marokko, Algerien, Tunesien, Spanien, Schweden, Norwegen und Grönland. Nach längeren Aufenthalten in der Provence und im Tessin lässt er sich in den frühen 1950er-Jahren vorübergehend in Bern und später dann in Zürich nieder. Aus der Schaffenszeit von 1956 bis 1960 benennt Paul Nizon (*1929) zwei Malereitypen: die „verwildernden Möbel“ sowie die „Puppenstillleben“. In ihnen vollzieht Kuhn eine Mythologisierung des Alltäglichen, die den Abstraktionsgedanken der klassischen Moderne in eine Figuration der reinen Malerei überträgt.
Der realistischen Abbildung abgewandt, entsagt der schmierige Duktus in den frühen 1960er-Jahren vermehrt einem Willen zum klassisch Schönen. In diese Phase lässt sich auch der „Rêve helvetique“ (1964) einordnen, in dem die Kritik – die für viele Werke der darauffolgenden Pop Art Periode bezeichnend ist – an der kitschigen Konsumwelt der Schweizer Kleinbürgerinnen und -bürger bereits latent anklingt. Die wandfüllende Arbeit wurde zusammen mit dem „Rêve helvétique (la santé)“ (1964), der sich ebenfalls in der Sammlung des Aargauer Kunsthauses befindet, für die Expo 64 in Lausanne konzipiert. Gezeigt wurden die insgesamt sechs Holztafeln zusammen mit dem Werk des Malerkollegen Varlin (1900-1977) in einem Pavillon mit dem Titel „Joie de vivre“. Im Triptychon widmet sich Kuhn dem Thema der „Verhäuselung“. In stellenweise lasierendem Farbauftrag und einer von kühlem Blau durchtränkten Palette präsentiert er ein ambivalentes Traumbild der Schweiz, in dem eine Herde aus fahnenschwingenden Mischwesen eine fantasievolle und wilde Natur überragt und von rechts ins Bild drängend einnimmt. Im gräulich getrübten und von gestischen Pinselstrichen aufgewirbelten Bildhorizont wird von Kuhn zudem ein unheilvoll anmutendes Gewitter heraufbeschwört.
Vier Jahre später wird dieser angedeutete Wetterumschwung in ganz Europa mit Studierendenrevolten und Jugendunruhen auch in die Geschichte der Schweiz eingehen. Zu dieser Zeit beginnt Kuhn das subversive Motiv der Palme immer wieder in seinen Arbeiten unterzubringen. Zeitlebens bleiben die Werke des Künstlers unangepasst und stehen noch heute für einen erweiterten Kunstbegriff jenseits kanonisierter Stilbegriffe. Selbst in die Schublade des „Outsiders“ wollte sein Werk, das erst posthum im Kunsthaus Zug (1993) oder Zürich (2008) breite institutionelle Würdigung erfahren wird, nie richtig passen.

Bassma El-Adissey

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