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Annelies Strba, Sonja mit Wasserglas, 1991
Farbfotografie auf Fotopapier hinter Glas aufgezogen, 100 x 150 cm
Aargauer Kunsthaus Aarau
Copyright: ProLitteris, Zürich

Seit Annelies Štrba (*1947) mit 15 Jahren ihre erste Kamera geschenkt erhielt, fotografiert sie täglich. Mit 16 entwickelt sie ihre Abzüge bereits selbst; zwischen 1963 und 1965 absolviert sie eine Ausbildung zur Fotografin. Zunächst fotografiert Štrba vor allem ihr unmittelbares Umfeld und ohne künstlerische Intentionen. Sie dokumentiert ihre Lebenssituation als Mutter dreier kleiner Kinder. Insbesondere ihre Töchter Linda und Sonja hält sie in unzähligen Aufnahmen fest – vom Kleinkindalter über die Adoleszenz, bis sie selbst Mütter sind und die Enkelkinder ein beliebtes Sujet werden. 1990 tritt Štrba mit ihren Arbeiten erstmals an die Öffentlichkeit. In einer von Bernhard Mendes Bürgi, dem damaligen Leiter der Kunsthalle Zürich, kuratierten Schau, zeigt sie auf Leinwand aufgezogene Schwarz-Weiss-Fotografien, die sogleich auf viel Beachtung stossen. Mit „Sonja am Ofen“ von 1987 befindet sich in der Sammlung des Aargauer Kunsthauses eine Fotografie aus jener Zeit. Im Verlauf der 1990er-Jahre nimmt nicht nur Štrbas Ausstellungstätigkeit rapide zu. Die Künstlerin unternimmt ausserdem eine Reihe von Reisen, die in ihren fotografischen Arbeiten Niederschlag finden. Nichtsdestotrotz bleibt ihre Familie wiederkehrendes Motiv. 2001 fasst Štrba ihr fotografisches Schaffen in der Arbeit „Shades of Time“ zusammen, die als Dia-Schau 240 zwischen 1974 und 1997 entstandene Fotografien in Dreiergruppen projiziert. Angesichts der Tatsache, dass sich Štrba in den darauffolgenden Jahren primär auf das Medium Video konzentrieren wird und erst jüngst wieder zur (digitalen) Fotokamera greift, kommt dem Werk retrospektiver Charakter zu.

In „Shades of Time“ kommt auch die Arbeit „Sonja mit Wasserglas“ von 1991 vor. Als grossformatiger Abzug wird sie ein Jahr nach Štrbas erster umfassender Museumsausstellung, die 1997 im Aargauer Kunsthaus stattfindet, für die hiesige Sammlung angekauft. Wir sehen Štrbas Tochter Sonja als junge Frau in der Küche sitzend. Mit der rechten Hand greift sie scheinbar gedankenverloren zu einem halb vollen Wasserglas, das auf der Küchenkonsole neben dem Herd steht. Auf dem Herd eine grosse Mokka-Maschine, rechts im Bild der unaufgeräumte Küchentisch. Die Küche erkennen wir aus einer Reihe von anderen Bildern wieder. Es ist die Küche in Štrbas Haus in Richterswil, wo sie seit vielen Jahren mit ihrer Familie lebt. Bereits aus dem Jahr 1986 gibt es ein Bild von Sonja, das sie in der Küche zeigt – damals noch im Teenager-Alter, während wir ihr 1995 im gleichen Setting erneut begegnen, nun mit ihrem Sohn Samuel-Maria auf dem Schoss. Im Foto von 1991 sehen wir eine sorgfältig geschminkte junge Frau mit hochgesteckter Frisur und auffälligem Schmuck. Ihr Blick ist direkt in die Kamera gerichtet. Er ist eindringlich und zugleich distanziert, etwas gelangweilt, aber stolz. Wir können uns diesem Blick kaum entziehen; er fasziniert und fesselt. Unvermittelt werden wir Zeugen einer hochintimen Szene zwischen der Mutter hinter der Kamera und der posierenden Tochter davor. Formal sind in der Fotografie Strategien angelegt, die in Štrbas späterem Schaffen zentrale Bedeutung erlangen. Insbesondere die sanfte Lichtführung, die entsättigten Farben und das leichte Verschwimmen der Bildränder weisen auf die Farb- und Lichtexperimente hin, die im Verlauf der 1990er-Jahre immer wichtiger werden. Im Ansatz erkennen wir auch das Element der Unschärfe, das sich später wie ein roter Faden durch das Werk zieht und dem Štrbas Fotografien ihre malerische Qualität verdanken.

Yasmin Afschar

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