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Walter Linck, Vegetativ III, 1966
Stahl, Federstahl, Eisen, 200 x 175 x 8 cm, Plastik/Skulptur
Aargauer Kunsthaus Aarau

Walter Linck (1903–1975) beschreibt seine Metall-Plastiken, welche ab den frühen 1950er-Jahren entstehen, als „Sichtbarmachung von Bewegung“. Die grossformatige Arbeit „Vegetativ III“ (1966) im Aargauer Kunsthaus, weist bereits durch den Titel auf diese Intention hin. Die Plastik kann als Parallele zur Natur gelesen werden: Ein Sinnbild für die vegetative Entwicklung und Veränderung, aber auch für Sensibilität und Verletzlichkeit. Bereits feinste Berührungen – beispielsweise ein Atemzug oder ein Windhauch – lassen das Werk in Schwingung versetzen. Die filigranen Plastiken scheinen Räume mit abstrahierten Elementen subtil auszuloten und mit leicht zitternden Formen rhythmisch zu beleben. Zugleich lenkt der Titel der Arbeit im Aargauer Kunsthaus und insbesondere der visuelle Symbolcharakter der Arbeit die Betrachtenden auf mögliche Assoziationsebenen hin, die über Naturerfahrungen hinausweisen. Die aus Federstahl gearbeitete, liegende Acht etwa ist ein Zeichen der Unendlichkeit, eines, welches Gegensätze verbindet: „Eine unendliche Schleife – Symbol ewiger Wiederkehr und damit stets in Bewegung“, so Linck.

Im feinsinnigen Umgang mit dem Material begründet sich Lincks Sonderstellung unter den Pionieren der Schweizer Eisenplastik: Der Künstler bearbeitet den Werkstoff Eisen nicht mit den Verfahren des Hämmerns und Schmiedens, sondern erlernt weitgehend autodidaktisch die filigranen Techniken der kalten Metallbearbeitung (Kaltlöten, Biegen, Treiben). Damit grenzt er sich etwa von Oscar Wiggli (1927–2016), Robert Müller (1920–2003) oder Bernhard Luginbühl (1929–2011) ab. Seine Konstruktionen beruhen zudem – anders als bei den Zürcher Konkreten – nicht auf mathematischen Gesetzmässigkeiten, sondern resultieren aus einer intuitiven Suche nach dem Gleichgewicht, stets in einem Prozess des sorgfältigen Abwägens und Ausbalancierens. Dieser Balanceakt bleibt auch im Werk selbst sichtbar.

Linck besucht die Kunstgewerbeschule in Bern und Zürich und studiert anschliessend Bildhauerei in Berlin bei Wilhelm Gerstel (1879–1963). Frühe Arbeiten sind geprägt vom naturalistischen, antiklassischen Stil seines Berliner Akademielehrers, sowie seines Vaters Ernst Linck (1874–1935). Letzterer war ebenfalls Künstler; insbesondere inspiriert von den Möglichkeiten der Hodlerschen Bildsynthese und demnach Vertreter eines formal klaren, monumentalen Stils. Zusammen mit Eduard Boss (1873–1958), Max Buri (1868–1915) und anderen gehört er zu den Protagonisten der sogenannten Berner Malerschule, durch die der Stil Hodlers in die Breite zu wirken beginnt.

Nach einem Aufenthalt in Paris zerstört Walter Linck 1946 einen Grossteil seines Frühwerks, da ihm darin „Leichtigkeit und das Musikalische“ fehlen. Filigrane Figuren oder Fabelwesen entstehen in der Folge. Diese Arbeiten sind im Geiste des Surrealismus gefertigt. Ab den 1950er-Jahren schafft Linck schliesslich feingliedrige, abstrakte und bewegte Plastiken aus Stahl und Eisen, die sich in der Luft oder im Wasser bewegen und sicherlich auch von Alexander Calder (1898–1976) inspiriert sind. Lincks Mobilies sind meist durch gerade und geknickte Linien sowie Kreise aufgebaut und beschäftigen sich, ähnlich den Werken von Calder, mit Gewichtsverteilung, Symmetrie und Asymmetrie.

In der Geschichte der Schweizer Plastik gilt Linck als Pionier der Eisenplastik und der Mobiles. Lincks Werke sind an der Biennale Venedig 1956 und 1966 vertreten, sowie 1959 an der Documenta II in Kassel. Bis zu seinem Tod im Jahre 1975 arbeitet Linck zusammen mit seiner Gattin, der Keramikerin Margrit Linck-Daepp (1897–1983), im gemeinsamen Berner Atelier.

Christian Herren

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